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Matthias Estermann erklärt und beantwortet Fragen zu seiner aktuellen Ausstellung «A new skin for an old ceremony». Die Gesprächsrunde leitet Frau Dr. Kathrin Oester Znoj, assoziierte Forscherin am Institut für Sozialanthropologie Universität Bern.

Das Licht der Welt erblickte mich in Menznau LU am ersten Dienstag im Mai 1955. Ich blickte zurück und seitdem mache ich Bilder. Bevor ich zur Schule ging, hatte ich die feste Absicht, Menschenfresser zu werden. Daraus ist nichts geworden – lediglich ein Wiederkäuer. 

Dank meiner Frau Andrea Bucher katapultiert es mich nicht aus meiner eiernden Umlaufbahn – bis zum Endknall – ein Neuanfang.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert fühle ich mich mit den indigenen Menschen des nordamerikanischen Kontinents verbunden, obwohl ich Europa nie verlassen habe. Ich habe aber stets im richtigen Augenblick führende Persönlichkeiten verschiedener indigener Nationen hier in der Schweiz und anderswo getroffen. Unter anderem bin ich von den Hopi Katsinam angetan. Diese nicht zeremoniellen Puppen aus Pappelholz werden bei Kindern und vorab bei Mädchen als sozialpädagogisches Lehrmittel eingesetzt, damit sie die im Jahreskreis auftretenden Tänzer der verschiedenen Klans erkennen und deren Sinn innerhalb ihrer Weltanschauung und Lebensweise verstehen. Ich bin seit meiner Kindheit im Stillen kreativ tätig. Mein handwerkliches Können habe ich mir selber angeeignet. Dabei fungierten die einheimischen Handwerker als meine Mentoren. Schmiede, Wagner, Sattler, Schreiner und Maler liessen mich in ihren Werkstätten gewähren. Mein Vater war umsichtig und lernte uns den Umgang mit Pinsel und Hammer. In Kunstmuseen zeigte er uns bedeutende Werke der bildenden Kunst. Wegen Grünewald bin ich auf den Namen Matthias getauft. Konrad Witz war mehr als witzig.

Als neues Mitglied im Team des Kunstraums B74 zeige ich meine Katsinam, die ich grösstenteils im letzten halben Jahr hergestellt habe. Es ist meine erste öffentliche Einzelausstellung. Ich bin kein Hopi und ihre geheimen Zeremonien kenne ich als Luzerner Hinterländer nicht, obwohl ich ein Ethnologiestudium abgeschlossen habe. No whites allowed. Meine Katsinam stehen gewissermassen stellvertretend für die zeitlich begrenzten Stufenalter der Menschen. Meine Figuren sind nicht aus Pappelholz und nicht mit althergebrachten Pigmenten aus der Natur bemalt. Sie sind aus unserem heute vermeintlich nutzlosen Kulturschrott neu geboren. Die Gedanken sind frei – ich gehe auf den Gedankenstrich. Ich nehme was kommt – auch mit einer Prise Humor. Menschenfresser haben nicht selten Biss.

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Talk/Lecture
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B74 Raum für Kunst
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