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Das zweite Jahr Kunstraum Satellit endet mit einem Gemeinschaftswerk von Philipp Schaerer und Reto Steiner. Es ist die erste Zusammenarbeit der regional verankerten Künstler. Eigens für die Ausstellung experimentieren sie mit neuen Arbeitsstrukturen, die sich in der Schnittstelle zwischen plastischem Schaffen und Netzkunst befindet. Mit «The Closet. Phantoms of Reality» zeigt Satellit eine raumgreifende Installation mit dreidimensionalen Zeichnungen. In ihrer Wire-Frame-Ästhetik verweisen die Objekte dabei auf das digitale Bildverfahren. Durch die Frontscheibe ist eine sanitäre Vorrichtung zu sehen – ein intimer Ort, der die Besucher*innen und Passant*innen für einen Augenblick zu Voyeur*innen werden lässt.

Die künstlerischen Herangehensweisen von Philipp Schaerer (*1972) und Reto Steiner (*1978) könnten kaum unterschiedlicher sein. Während Schaerer sich dem digitalen Bildverfahren widmet und sich mit Renderings und 3D-Modellen beschäftigt, besteht das Werk von Steiner aus massiven Plastiken, meist aus Marmor oder Kalkstein, die in der Tradition der Bildhauerei stehen. In einem intensiven Austausch erforschten die beiden Künstler Berührungspunkte und gemeinsame Themen und lassen ihre jeweiligen Kenntnisse eigens für die Ausstellung im Satellit in ein neues Werk einfliessen.

Ein intimer Einblick
Entstanden ist eine Serie von abstrahierten, plastischen Modellfiguren. Die Referenzpunkte sind aus der frontalen Perspektive klar erkenntlich: Die Installation zeigt ein sehr privates Setting – eine sanitäre Anlage mit Lavabo und Pissoir. Der vor der Öffentlichkeit meist verdeckte und hinter Mauern verborgene Raum wird durch die Frontscheibe des Satellits wie in einem Schaufenster präsentiert. Weiter sind einzelne Objekte zu entdecken, die in der Toilette vergessen und liegen gelassen wurden. Sie verweisen auf die Abwesenheit ihrer früheren Nutzer*innen. Die Künstler greifen innerhalb ihrer Arbeit damit auch die Frage nach Intimität und Distanz auf, denn Satellit ist im gleichen Gebäude wie die von aussen kaum erkenntliche, öffentliche Toilette untergebracht. Je nach Standpunkt der Betrachter*innen des Schauraums jedoch verschwindet das Vertraute: Aufgrund der Überlappung einzelner Objekte findet eine Verdichtung der Linien statt und die Installation wird in eine abstrakte Szenerie überführt. Vermehrt sind es wieder die Körperhüllen, gar die Kleider der Objekte, die als Kunstwerke ins Zentrum gerückt werden.

Phantomhafte Abbilder
Von Hand und in einem additiven Verfahren haben die Künstler mit dem Plastikfilament-Stift (3D-Pen) Objekte in den Raum gezeichnet. Sie zeigen die Umrisslinien von Originalen, die mit dieser Technik 1:1 nachgebildet wurden. Die Funktionsweise des Stiftes ist dabei mit einer Heissklebepistole zu vergleichen. Der erhitzte Materialfaden gelangt in flüssiger Form durch die Stiftspitze, wo er sich bei Raumtemperatur verfestigt. Dadurch erhalten die Objekte eine Gitterstruktur, die Assoziationen zu Computergrafiken wie digitale 3D-Modellabbildungen wecken. Durch die Wire-Frame-Ästhetik entsteht der Eindruck von gleichzeitiger Entmaterialisierung wie Überführung der digitalen Bildsprache in den physischen Raum. Als phantomhafte Abbilder repräsentieren sie die ursprünglichen Objekte. Durch die teilweise händische und unpräzise Stiftführung tragen sie zuweilen eine ironische Komponente.

Lost & Found
Im Katalog «Lost & Found» sind weitere verlorene und liegen gelassene Objekte aufgeführt, die zusätzlich zur Ausstellung im Satellit entstanden sind. Es besteht die Möglichkeit diese zu erwerben.


CV Kunstschaffende

Philipp Schaerer (*1972 in Zürich, lebt und arbeitet in Steffisburg und Zürich) ist Bildender Künstler und Architekt. Nach seinem Engagement an der ETH-Lausanne arbeitete er bei Herzog & de Meuron, wo er die Bildsprache der Architekturvisualisierung wesentlich mitgeprägt hat. Seit 2014 lehrt er als Gastprofessor an der Architekturfakultät der ETH Lausanne im Fachbereit Art and Architecture. Seine Werke sind in mehreren privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten, u.a. im Museum of Modern Art MoMA (New York), im Centre Pompidou (Paris), im Museum of Contemporary Photography MoCP (Chicago), im Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM (Karlsruhe) und im Fotomuseum Winterthur.
www.philippschaerer.ch

Reto Steiner (*1978 in Frutigen, lebt und arbeitet in Frutigen) ist Künstler und Bildhauer. Nach seiner Steinbildhauerlehre arbeitete er 2003 unter anderem als Assistent von Markus Raetz. 2012 hat er seinen Master in Contemporary Art Practice an der Hochschule der Künste in Bern abgeschlossen. Das Werk von Steiner wurde mit mehreren Preisen gewürdigt, u.a. mit dem Aeschlimann Corti-Stipendium (2017), mit dem Jury Award an der Skulptur-Biennale in Winterthur (2011) sowie dem Kulturförderpreis der Stadt Thun (2007). Einzelausstellungen u.a. in der Reflector Contemporary Art Gallery Bern (2019), im Baz’art 9ème édition Genf (2018), in der Kunsthalle Kempten (2016) und Kunsthalle Arbon (2013).
www.retosteiner.net

 

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Kunstraum Satellit Thun
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Thun