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Anya Belyat-Giunta, Barbara Lüdde, Diederik Gerlach, Johannes Spehr, Nschotschi Haslinger, Sarah Minutillo, Veronika Holcová

––– English version below –––

 

…on paper

 

Auf Papier, und darauf Linien und Striche, dann Formen und Gestalten. Gesammelt aus dem Außen, getrieben aus dem Innen, katalysiert durch den Verstand. Etwas Entscheidendes hervorbringend durch die Fantasie, aufs Papier bringend, durch die Hand.

So bauen die Zeichnenden und Malenden Erzählungen. Nicht nur durch das Flächenhafte auftragen von Farben und Tonwerten, sondern eher fokussiert auf Umriss und Schraffur, Oberfläche und Tiefe. So formen und deformieren sie, rahmen, schweifen aus oder reduzieren, erfinden, schwindeln oder konfrontieren. Sie zeigen uns einen individuellen Teil der Wahrheit um uns und in uns.

Die Gruppenausstellung ...on paper trägt uns durch tatsächliche, direkte sowie subtile, zeitgenössische Momentaufnahmen von Realitäten, manifestiert auf Papier.

Sie nimmt uns mit in mikroskopische Welten, die manchmal das Innere kartieren und manchmal das Äußere karikieren. Die Motive wurden akribisch verfolgt und dann, gesprenkelt von der Surrealität von Träumen, Wünschen, Wertungen, Fantasien und Erfahrungen, in ihr Umfeld gebogen.

Anya Belyat-Giuntas exzentrische Gesichter und Figuren präsentieren sich in romantischer Couleur. Bunte, teils verschwommene, vergrößerte oder arg entfremdete Defragmentierungen von Organischem und Anorganischem stecken voller Paradoxien. Liebliche Farben verstehen es, auf den ersten Blick, hämische frevelhafte Antlitze zu verschleiern. Bei tieferem Hinschauen erkennt man die Schichten, die das Dunkle und Verborgene darunter verraten, oder sie platzen durch ihr Unpassen aus dem Zusammenhang.

Barbara Lüdde zeichnet junge Menschen, die sich zwischen technologisierter Hochkultur und autonomer Subkultur bewegen, danach leben und lieben, und auch leiden und sehnen. Die subversiven Charaktere erscheinen ehrlich, stark und verzweifelt zugleich und tragen Symbole der Konvention und Anti-Konvention. Identitätsstrebend und wartend gleitet ihr Blick in einen Raum außerhalb ihres eigenen, der den Suchenden neue Hoffnungen perludiert.

Das Konglomerat aus archivisch-festgehaltenen Vergangenheiten, das Diederik Gerlach in seinen Werken schafft, wirkt wie eine Neuerfindung von persönlichen Erinnerungen, die traumhaft im Gedächtnis steckengeblieben sind. Die Bilder sind Parabeln, die von 1950er Jahre Reisemagazinen, alten Werbeversprechen und literarischen Anekdoten erzählen, und diese auf paradox-logische Weise zusammenführen.

Johannes Spehr geht politisch oder konfrontativ auf unsere Welt ein und wirft uns durch seine Zeichnungen und Installationen vor ganz neue, von ihm geschaffene. „Hier habt Ihr einen Vorschlag.“, scheinen sie uns mitteilen zu wollen. Ob wir diesen verstehen oder nicht, ist dabei egal. Die Hauptsache ist, dass der Vorschlag da ist, uns verwirrt, dann fasziniert und uns schlussendlich nicht loslässt.

Sarah Minutillos Werke laden uns ein, die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz mitzufühlen. Sie reproduziert in ihren Zeichnungen Dokumente oder Fotografien, in denen sie mehrdeutige oder ästhetische Bedeutung erkennt, und dadurch ein ambivalentes Potential. Die Bilder gelten als Wörter mit semantischem Wert, die visuell durch das Unaussprechliche hindurchtragen. Die Maltechnik, mal überspitzt, mal zerstreut, unterschreibt die Vergangenheit der Motive.

Die Papierarbeiten von Veronika Holcovà führen ein Eigenleben, als ornamentale Manifestationen ihres Unterbewusstseins. Scheinbar organisch gewachsene Strukturen und Geflechte bringen Kreaturen und Muster hervor, die für sich allein stehen oder kumulativ ineinander gewoben sind. Die farbenfrohen Zeichnungen sind unabhängige Sondierungen ihrer Arbeit, Chiffren ihres tiefsten und privatesten Ichs.

Nschotschi Haslingers Zeichnungen sind keine surrealen Illustrationen voller Symbole. Im Gegenteil. Die Bilder sind Schauplätze, in denen wir Bewohnerinnen und Bewohner dabei beobachten dürfen, wie sie fremde, rituelle, mysteriöse Dinge mit selbstverständlicher Immanenz vollziehen. Es ist, als würde man eine Tür öffnen und in ein Terrarium hineinplatzen, in dem merkwürdige Dinge vonstatten gehen, die dennoch sympathische Anziehungskraft auslösen.

Die Aufzeichnungen auf Papier sind Zeitzeugen, die uns helfen können mit uns selbst umzugehen. Sie unterbreiten uns Vorschläge, wie man unser Momentum erfassen kann. Reale und surreale Konstruktionen sowie Spuren und Eindrücke des Körpers, des Zusammenlebens, von Erotik, Macht, münden in dem Spiel, das all diese Komponenten umschließt. Sie fließen in das Nadelöhr eines freien Umrisses der artikulierten Bereiche und Szenarien.

Zwar lässt sich nicht immer eine Erklärung finden für das, was da ist und das, was das Auge aufnimmt, geschweige denn, was der Verstand damit macht. Doch eines ist sicher: in den Zeichnungen geht es um Details. Um Irrungen und Wirrungen, Sturm und Drang, rund um das menschliche und nicht-menschliche Sein.

 

Elisa Mosch

 

 

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…on paper

 

On paper, and upon it lines and strokes, then shapes and forms. Gathered from the outside, driven from the inside, catalyzed by the mind. Bringing something crucial to life through the imagination, putting it on paper, through the hand.

This is how the drawing and painting artists build narratives. Not necessarily through the extensive application of colors and tonal values, but rather focused on outline and hatching, surface and depth. They shape and deform, frame, digress or reduce, invent, fiddle or confront. They show us an individual part of the truth around us and within us.

The group exhibition ...on paper carries us through actual, direct as well as subtle, contemporary snapshots of realities manifested on paper. It takes us into microscopic worlds that sometimes map the inside and sometimes caricature the outside. Subjects were meticulously traced and then bent into their environment, sprinkled with the surreality of dreams, desires, judgments, fantasies and experiences.

Anya Belyat-Giunta's eccentric faces and figures are presented in a romantic shape. Colourful, partly blurred, enlarged or sorely alienated defragmentations of the organic and the inorganic are full of paradoxes. At first glance, lovely colors know how to veil malicious, wicked countenances. If you look deeper, you can see the layers that betray the dark and hidden underneath, or they burst out of context through their incongruity.

Barbara Lüdde draws young people who move between technological high culture and autonomous subculture, live and love, and also suffer and long in it. The subversive characters appear honest, strong and desperate at the same time and carry symbols of convention and anti-convention. Striving for identity and waiting, their gaze slides into a space outside of her own, which perludes new hopes for the seekers.

The conglomerate of archivally recorded pasts that Diederik Gerlach creates in his works seems like a reinvention of personal memories that have stuck in the memory like a dream. The images are parables that tell of 1950s travel magazines, old advertising promises and literary anecdotes, and bring them together in a paradoxically logical way.

Johannes Spehr deals with our world in a political or confrontational manner and, through his drawings and installations, throws us in front of completely new ones that he has created. "Here's a suggestion for you." They seem to want to tell us. It does not matter whether we understand it or not. The main thing is that the suggestion is there, confuses us, then fascinates us and finally does not let us go.

Sarah Minutillo's works invite us to empathize with the fragility of human existence.
In her drawings, she reproduces documents or photographs in which she recognizes ambiguous or aesthetic meaning, and thus an ambivalent potential. The images are regarded as words with semantic value that carry visually through the unspeakable. The painting technique, sometimes exaggerated, sometimes scattered, underlines the past of the motifs.

Veronika Holcovà's works on paper have a life of their own, as ornamental manifestations of her subconscious. Structures and networks that appear to have grown organically produce creatures and patterns that stand alone or are cumulatively woven into one another. The colorful drawings are independent explorations of her work, ciphers of her deepest and most private self.

Nschotschi Haslinger's drawings are not surreal illustrations full of symbols. On the contrary. The images are settings in which we can observe the residents doing strange, ritual, mysterious things with natural immanence. It's like opening a door and bursting into a terrarium where strange, yet sympathetic things are happening.

The notes on paper are contemporary witnesses that can help us to deal with ourselves. They offer us suggestions on how to capture our momentum.
Real and surreal constructions as well as traces and impressions of the body, of living together, of eroticism, of power, flow into the game that encloses all these components. They stream into a narrow passage of a free outline of the articulated areas and scenarios.

It is true that an explanation cannot always be found for what is there and what the eye takes in, let alone what the mind does with it. But one thing is certain: the drawings are about details. About twists and turns, storm and urge, about human and non-human existence.

 

Elisa Mosch

Infos

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Exhibition
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Thomas Rehbein Galerie
5 Aachener Straße
50674 Köln
Germany

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