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Es könnte ein Jubiläum sein

 

ARTACHMENT
Peter Pan Project

The Peter Pan Project seeks and promotes an exchange between artists and art students. A student and an established artist are invited to exhibit together. Both the interior and the exterior exhibition spaces at Artachment are used.

Das Peter Pan Project sucht und fördert den Austausch zweier Kunstpositionen. Es wird jeweils ein etablierter Künstler/ eine etablierte Künstlerin und ein Kunststudent/ eine Kunststudentin für eine Ausstellung eingeladen. Bei dem Projekt wird der Innen- wie Aussenraum des Artachments bespielt. Roman Signer (*1938, St. Gallen) versteht sich als Bildhauer – ein Bildhauer allerdings, der seine Skulpturen um die Dimension der Zeit erweitert. Mit seinen Ereignissen und Installationen arbeitet der Künstler seit den 1970er-Jahren voller Spielwitz an einer Neudefinition der Skulptur. Er bezieht Zeit, Energie, Beschleunigung und Veränderung mit in den skulpturalen Prozess ein und erkundet damit konsequent, spielerisch und immer wieder neu die Möglichkeiten dieses ursprünglich statischen Mediums. Das Resultat seiner Untersuchungen sind oft vergängliche Arbeiten, die in Fotoserien, Film- oder Videoaufnahmen dokumentiert werden. Die wichtigsten Werkstoffe Roman Signers bilden die vier Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft. Ihre Beschaffenheit und Qualitäten ergründet der Ostschweizer mit beeindruckender Präzision und Ausdauer. So lässt er etwa durchlöcherte Kajaks mit Wasser volllaufen, katapultiert Möbelstücke durch den Raum oder legt eine kilometerlange Zündschnur quer durch die Ostschweiz. Der besondere Ort des von Raphael Bottazzini initiierten Artachments inspirierte den Künstler nicht nur zur Teilnahme an der Jubiläumsausstellung sondern auch zu einer Aktion vor Ort, zu einem «Ereignis», wie Roman Signer seine Aktionen selbst nennt. Es hat Platz in der Hütte und Roman Signer nimmt ihn ein: Mit Schutzbrille und Helm, vor der Vernissage und ohne Publikum, begibt er sich in das Häuschen. Darin bedient er sich eines so genannten Quadrokopters*, welchen er mit einem Pinsel mit blauer Farbe versieht. Mit diesem Arrangement aus Flugobjekt und Malinstrument navigiert er durch das Häuschen und malt blaue Punkte an dessen Decke. Das ganze Vorgehen ist nicht ungefährlich, weshalb sich der Künstler die erwähnte Schutzmontur anzieht. Von der Handlung übrig bleibt die bemalte Decke und auch das Instrumentarium lässt der Künstler zurück. Das fertige Werk wiederum definiert er als Installation: Auf dem Regal im Häuschen liegend verweisen die Objekte auf die vergangene Handlung. Das Publikum darf die Hütte betreten und sich das Geschehene zusammenreimen. An das erzählerische Moment dieser kleinen Geschichte knüpft auch der Titel des Werks passend an: «Platz ist in der kleinsten Hütte.» «Für was?» «Zum Fliegen natürlich.» Es ist ein Kurzdialog zwischen dem Künstler und einem fiktiven Gegenüber, der eigentlich alles sagt. Mit der Bemalung der Decke indes verweist Signer durch eine simple Geste auf die berühmte und von künstlerischer Könnerschaft geprägten Gattung der Deckenmalerei. Roman Signers Deckenbemalung wiederum, so könnte man weiterinterpretieren, adelt das kleine Häuschen zu mehr als einer Hütte: Durch die blauen Tupfer wird es zu einer Kapelle für die Kunst. * Was im Volksmund als Drohne bezeichnet wird, ist im Fachjargon ein Quadrokopter (ein mit 4 Rotoren versehener, fernsteuerbare Helikopter). Der Begriff «Drohne» wird somit etwa in Modellfliegerkreisen ungern gehört, weil eine Drohne jene Helikopter bezeichnet, die im Krieg zum Einsatz kommen und töten können. Das Objekt, welches Roman Signer zum Fliegen und zum Malen verwendet, ist jedoch ein Arbeitswerkzeug, oder wie er selbst sagt: «Ein friedliches Ding mit einem fliegenden Pinsel.»

 

 

Roman Signer (b. 1938, St Gallen) defines himself as a sculptor – a sculptor, however, who expands his sculptures through the dimension of time. His happenings and installations, full of lively wit, have been redefining sculpture since the 1970s. By integrating time, energy, acceleration and change into the sculptural process, he finds new ways of consistently and playfully exploring the possibilities of this intrinsically static medium. The results of his explorations are often transient works, documented in photographic series, film or video footage. Signer’s most important materials are the four elements of fire, earth, water and air. Their composition and their quality are explored with impressive precision and endurance. For example, he lets hole-riddled kayaks fill up with water, catapults furniture across the room, or lays a kilometre-long fuse across eastern Switzerland.

 Artachment, the unusual space initiated by Raphael Bottazzini, inspired the artist not only to participate in the anniversary exhibition, but also to conduct an in-situ intervention, or ‘happening’, as Signer refers to his work. There is space in the hut, and Signer occupies it: before the opening and without an audience, he enters equipped with protective goggles and a helmet. Inside, the artist fits a so-called quadcopter[1] with a brush drenched in blue paint. He then navigates this arrangement of flying object and painting utensil through the house and uses it to paint blue dots on the ceiling. The whole action is not without risk, which is why the artist dons the protective gear. What remains of the activity is the painted ceiling and the equipment that is left behind. The artist defines the finished work as an installation: lying on a shelf in the house, the objects reference the activity that took place there. As the public enter, they put together the pieces of the event. The narrative of this small tale is reflected in the title of the work: Platz ist in der kleinsten Hütte. Für was? Zum Fliegen natürlich (There is room in the smallest of huts. For what? For flying, obviously.). It is a short dialogue between the artist and a fictional counterpart that explains everything.

 With the simple gesture of painting dots on the ceiling, Signer references the celebrated genre of the ceiling fresco, which is characterised by great artistic skill. To further interpret the scene, Roman Signer’s ceiling painting elevates the small house into more than a hut: the blue dots convert it into a chapel of art.

* What is popularly known as a ‘drone’ is in technical jargon a quadcopter (a four-rotor, remote-controlled helicopter). The term ‘drone’ is not heard among model aviation enthusiasts, since it refers to equipment that can be used for killing and war. The object used by Roman Signer for flying and painting, however, is a work tool, or as he says himself: “A peaceful thing with a flying brush.”

Text: Lena Friedli
Foto: Claude Gasser

www.romansigner.ch

 

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Mischa Düblin (*1973, Basel) und Fabian Unold (*1977, Zürich) arbeiten seit 2004 unter dem Namen «Thylacine» (engl. Beutelwolf) als Künstlerduo zusammen und realisieren orts- und kontextspezifische Arbeiten. Ohne sich auf ein Medium oder eine Form festlegen zu wollen, ergibt sich durch das situationsbedingte Arbeiten des Duos eine Tendenz zum Performativen und zur Installation. Auch das Spiel mit dem Publikum oder der Miteinbezug von weiteren Schauspielern oder Performerinnen sind möglich. Soziale Gefüge und ökonomische Mechanismen stehen im Zentrum von Thylacines Interesse. Ihre Kunst will nicht in den White Cube, sie funktioniert nicht in und für sich, sondern immer in Beziehung zur realen Welt. Kritisch, politisch und mit einer guten Prise Humor widmen sich die beiden bestimmten Berufsgruppen, untersuchen gesellschaftliche Machtstrukturen und machen sich diese Begebenheiten auch gerne mal zu eigen. Dabei ist ihre Kunst zwar prägnant und konsequent umgesetzt, in der Aussage lässt das Duo jedoch stets absichtlich Raum für Interpretation. Aus einer inhaltlichen aber auch konkret physischen Aneignung resultiert ein authentisches und überzeugendes Involviertsein der Künstler. So setzen sie sich etwa für «Schweigeminute» (2007) eine ganze Stunde dem direkten Strahl einer Schneemaschine aus oder sie pinkeln sich für eine Performance zum Thema Angst gleichzeitig in die Hosen («Stille Wasser», 2008). Thylacines Projekte, Performances und Installationen gibt es immer nur einmal. Im Artachment sind die beiden Künstler allerdings bereits zum zweiten Mal zu Gast: Vor zehn Jahren haben Mischa Düblin und Fabian Unold auf Einladung von Raphael Bottazzini das allererste Projekt in dem kleinen Häuschen im Kleinhüninger Hafen realisiert. Nach genauem Beobachten der Situation vor Ort schenkte das Künstlerduo diesem damals noch sehr verlassenen und oft von Vandalen heimgesuchten Ort einen Bewohner. Sie installierten eine menschengrosse Puppe so im Häuschen, als würde ein im Raum sitzender Mann durch das Fenster an der Rückwand Fische angeln. Durch seinen neuen Bewohner wurde der Ort plötzlich wohnlich, wirkte eingerichtet und erhielt eine Verbindung zur Aussenwelt. Die Situation war so subtil (es gab keine Vernissage und keinen Hinweis auf das Kunstprojekt) und gleichzeitig derart realistisch, dass Passanten darauf aufmerksam wurden und die Polizei anriefen. Heute, zehn Jahre später, sind Thylacine wieder da und stellen zeitgleich mit Roman Signer aus. Mit der neu entwickelten Arbeit «Schein» (2018) thematisieren die beiden das Aufeinandertreffen mit dem renommierten Schweizer Künstler, aber auch den 10-jährigen Geburtstag des Kunstraums: Dazu hängen sie einen Theaterscheinwerfer in einen Baum neben dem Kunstraum und versehen ihn mit einer Zeitschaltuhr, welche das An- und Ausschalten des Lichts in einem vordefinierten Rhythmus regelt. Ein Scheinwerferlicht bestrahlt normalerweise eine Attraktion, ein Star tritt darin auf, etwas Wichtiges erhält eine Bühne ... Doch das von Mischa Düblin und Fabian Unold installierte Spotlight schiesst (scheinbar) am Ziel vorbei. Der Lichtkegel beleuchtet weder das Jubiläum feiernde Häuschen, noch die Installation von Roman Signer, noch das Publikum. Die einzige Verbindung zum Haus bildet ein Stromkabel. Ansonsten bleibt Thylacines künstlerischer Eingriff im Grunde immateriell. «Schein» beleuchtet eine leer gebliebene Bühne, einen Unort, eine Lücke und wird damit zum eigenartigen und erfrischend nicht eindeutigen Hinweis.

 

 

Mischa Düblin (b. 1973, Basel) and Fabian Unold (b. 1977, Zurich) have been working together since 2004. The artistic duo realises site- and context-specific works under the name Thylacine. Not limiting themselves to one medium or form, the duo’s situation-specific approach tends towards installations and the performative. Games with the audience or the involvement of other performers open up further possibilities.

 Social structures and economic mechanisms are at the heart of Thylacine’s interest. Their art doesn’t aim for the white cube, it doesn’t function intrinsically or by itself, but invariably in relation to the real world. Critically, politically, and always with a good dose of humour, they examine balances of power, and make these events their own. While their art is implemented concisely and consistently, it deliberately leaves room for interpretation. The authentic and persuasive involvement of the two artists results from a content-related but also concretely physical appropriation. In this vein, they expose themselves to the direct jet of a snow machine for the 2007 work Schweigeminute (A Minute’s Silence), or they simultaneously pee their pants for the 2008 performance Stille Wasser (Still Waters) on the subject of fear.

Thylacine’s projects, performances and installations only ever happen once, but they have appeared twice at Artachment. In 2008, Mischa and Fabian were invited by Raphael Bottazzini to realise the very first project ever carried out in the former customs house at Kleinhüningen harbour. After careful observation of the site, the duo gave the space, which was at the time abandoned and frequently visited by vandals, a resident: they installed a life-sized puppet to make it look like someone sitting in the space was angling for fish through the window in the back wall. Through its new inhabitant, the space suddenly became accommodating, and a connection to the outside world was established. The situation was subtle (there was no opening and no publicity) and at the same time so realistic that passers-by who spotted the figure inside called the police.

 Thylacine returned to Artachment in 2018 to exhibit in dialogue with Roman Signer. For their newly developed work Schein (Appearance), marking the 10th anniversary of the art space, they suspended a theatre spotlight from a tree next to the building and equipped it with a timer, which switched the light on and off in a predefined rhythm. A spotlight usually illuminates an attraction; a star performs in it, something important is given a stage. But the spotlight installed by Thylacine apparently misses its mark. The light beam illuminates neither the house celebrating its anniversary, Roman Signer’s installation, nor the public. The only connection to the house is the power cable. Other than that, the artistic intervention remains essentially immaterial. Schein illuminates a stage that remains empty, a non-place, a gap, and thus becomes a strange and refreshingly nebulous presence.

 

Text: Lena Friedli
Fotos: Claude Gasser

www.thylacine.ws

 

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