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Beat Schläpfer : Beginnen wir mit dem Aussergewöhnlichen, der Bedeutung, die ihr der Sprache beimesst. Reden und Schreiben über Architektur - weshalb ?

Astrid Staufer : Ich vermute, es gibt ein gängiges Klischee darüber, was die Voraussetzungen für die Architektenausbildung sind : gut zeichnen und rechnen zu können. Das Zeichnen versinnbildlicht die schöpferischen Aspekte des Berufes, das Rechnen die technischen. Und tatsächlich scheint unser Beruf heute darauf reduziert, gute Ideen zu haben, sie technisch zu verwalten und Bilder zu produzieren. Dabei geht der wichtigste Faktor vergessen : Vitruv erwähnt als erste Voraussetzung für die Ausübung des Architektenberufs die Schriftkunde, also die Befähigung, sich sprachlich ausdrücken zu können. Erst dann folgen bei ihm das Zeichnen, die Geometrie und die Arithmetik, die Geschichte, die Philosophie usw. Unserer Meinung nach kommt die sprachliche Ausdrucksfähigkeit als Vehikel zur Bewusstseinsschärfung in unserer Disziplin ab und zu etwas zu kurz ... Dieser Entwicklung möchten wir in der Lehre, aber auch in der Reflexion unserer eigenen Planungsschritte etwas entgegenhalten.

BS : Ihr setzt Sprache somit aus der Erkenntnis heraus ein, dass euch die anderen Instrumente nicht ganz genügen oder einfach zu dominant sind ?

Thomas Hasler : Dahinter steht eigentlich die Suche nach einer Logik. Die einen verstehen Zeichnen einfach als blosses Zeichnen, Aquarellieren, wolkig, als künstlerischen Ausdruck. Andererseits kann ein Bild auch eine Logik enthalten : Indem es eine Konstruktion zeigt, wird es zum Ausdruck einer Logik - und das verbindet es mit unseren Gegenständen, den Gebäuden. Und wenn die Logik nicht in Worte zu fassen ist, fehlt sie auch oft.

AS : Man muss auf unserem Feld allerdings vorsichtig sein mit dem Begriff der Logik, denn es gibt oft die Tendenz zu einer Art Pseudo-Konstruktionslogik. Sie krankt am Glauben, dass alles analysierbar sei, alles nur logisch «konstruiert» werden müsse, um zur richtigen Lösung zu gelangen ... Da lobe ich mir Aldo Rossi : Nach ihm werden gute Lösungen genährt durch das ständige Springen zwischen der Ratio, also der objektiven Ebene, und der Emotion, also der subjektiven Wahrnehmung, die persönlich gefiltert ist und auf eigenen Erfahrungen basiert. Für dieses Hinund Herspringen ist die schriftliche Sprache ein gutes Instrument, weil sie auch emotionale Momente des Denkens, des Entwickelns und Gestaltens gut transportieren kann. Sprache wird in der Lehre durchaus nicht nur als bewusstseinsschärfendes Instrument eingesetzt, sondern auch als Entwicklungsmotor. Sie kann in der Entwicklung von Raum und Struktur helfen, Vorstellungen zu erzeugen und zu zentrieren.

BS : Ich möchte an die Erkenntnis von Aldo Rossi anschliessen, die Asi erwähnt hat, und sie mit einer Beobachtung von Pierre Thomé konfrontieren. Pierre Thomé, der Zeichnungstheoretiker, Spezialist für Graphic Novel und nicht fiktionale Illustration sowie Mitbegründer des Comic-Magazins Strapazin, schreibt : «Wenn wir uns beim Zeichnen beobachten, dann ändert sich dadurch unser Denken und mit dem Denken wiederum die Zeichnung. Das ist ein bisschen, wie wenn man zwischen zwei Spiegeln steht und sich das eigene Spiegelbild unendlich wiederholt. Wenn man den Arm hebt, kommt es einem vor, als käme es dabei zu einer winzigen Verzögerung, als könnte man sich in der Vergangenheit sehen. Unter diesem Aspekt wird die Zeichnung zum magischen Spiegel unseres Denkens.»

TH : Zwischen zwei Spiegeln, das gefällt mir, ein schönes Bild. - Mit dieser gegenseitigen Beeinflussung kann ich sehr viel anfangen, mit dieser Differenz zwischen den Instrumenten. Es bestätigt eine Erfahrung, die wir auch mit den Studierenden machen. Was gezeichnet wird, ist nicht genau das Gleiche wie das, was gedacht wird ... Und diese Differenz ermöglicht das Hinund Herspiegeln. Im Idealfall ergibt sich dadurch ein Hebel zu weiteren Erkenntnissen. Das Verfahren gleicht dem eines Bergsteigers, der sich in einem Kamin von einem Fels gegen den andern stemmt und so emporsteigt.

BS : Wir haben beim Zeichnen die Handskizze auf der einen, die Computerzeichnung auf der anderen Seite. Entsprechen dem auch auf sprachlicher Ebene zwei verschiedene Funktionen ?

AS : Auch die Sprache verlangt - wie der Computer - vom ersten Schritt an grosse Präzision, es sei denn, und diesen Trick nutzen wir oft, man verwendet sie «literarisch». Dadurch erhält sie eine ähnliche Dynamik wie die Handskizze, bewegt sich allerdings auf einer anderen Ebene. Wenn eine unserer Studentinnen schreibt, «Mein Gebäude steigt aus dem Rebberg auf und feiert», dann malt, skizziert, suggeriert sie mit diesem Satz den Ausdruck ihres Projektes. Der Satz hilft uns jenseits der Zeichenstriche beim Einkreisen der Wirkung. Das ständige Springen zwischen Zeichnung, Text und Modell hilft uns aber auch bei der Betreuung der Studierenden. Manche können das eine besser, manche das andere. So finden wir auf verschiedenen Ebenen Zugang zu ihnen, um sie zu fördern und zu unterstützen, und wir können sie im «synchronen Entwurfsprozess», wie wir unser Verfahren nennen, dort abholen, wo sie am Produktivsten sind.

BS : Ihr öffnet Türen da, wo ihr vermutet, die Studierenden fänden am besten herein ...

AS : Genau, aber die Sprache dient uns nicht nur als Entwurfsmotor, sondern vorab zur Bewusstseinsschärfung. Dazu gehört das Lesen, das Sich-Informieren. Eigentlich ist alles, was wir schaffen, seit Jahrhunderten vorhanden, und unsere Aufgabe ist es, es neu zu arrangieren und zu interpretieren. Das Kennenlernen des architekturgeschichtlichen Wissens und der Literatur dient der Aneignung eines Fundus für die eigene Tätigkeit ... In meinem zweiten Studienjahr legte ich dem mich damals begleitenden Assistenten, Marcel Meili, eine Grundrissgrafik als Konzept eines Entwurfes vor. Er fragte mich, aus welchen Gründen ich diese Rechtecke so und nicht anders zueinander in Beziehung gesetzt hätte. «Keine Ahnung, einfach so aus meinem Bauch heraus», antwortete ich, worauf er mich fragte : «Und du möchtest nicht wissen, wie das alles dort hineingeraten ist ? - Wenn du es erfahren willst, empfehle ich dir dieses Buch über den russischen Konstruktivismus, das dir die Regeln der Komposition auslegen wird.» So bin ich in diese Welt eingestiegen, in der man den Dingen auf den Grund gehen will.

BS : Die Assistenten sind die wichtigsten Lehrer ...

AS : Die Assistenten sind die zentralen Figuren in der Entwicklung, denn der Professor steht weit oben, weit weg von der konkreten Zeichnungsarbeit.
Und deine wichtigsten Lehrer, Vorbilder, Thomas ?

TH : Bei mir war das etwas anders. Es entwickelte sich etappenweise, zu Beginn mit einer Schreinerlehre. Ich hatte einen Lehrmeister, der lehrte mich etwas ganz Interessantes, nämlich, dass Zeit keine Rolle spielt. Es ging ausschliesslich um Qualität. Die Zeit war ihm gleichgültig bis zur Nachlässigkeit. Er war immer zu spät. Dafür war er berüchtigt. Es konnte passieren, dass jemand Möbel für ein Schlafzimmer bestellt hatte - sowas wurde damals oft noch nach Mass angefertigt - und er sie auf Weihnachten versprochen hatte. Als Weihnachten kam, war das Schlafzimmer nicht da, und der Kunde beschwerte sich : «Jetzt ist doch Weihnachten !» - Da sagte er bloss : «Ist doch noch manches Mal Weihnachten !» Die Zeit spielte überhaupt keine Rolle. Wichtig war, dass die Arbeit gut gemacht war ... Danach arbeitete ich in Amerika in einer Schreinerei. Es war das pure Gegenteil. Dort war Zeit das Wichtigste, Qualität war völlig gleichgültig. Dem Kunden etwas Gutes zu liefern, war Geldverschwendung, denn es hätte zu viel Zeit gekostet ... eine bittere Lehre.

BS : Wie bist du denn überhaupt zur Architektur gekommen ?

TH : Es waren eher Zufälle, die mich in diese Richtung lenkten, die bewusste Entscheidung für die Architektur basierte dann stark auf der gewonnenen Begeisterung. Dazu möchte ich einen Namen nennen, Heinrich Helfenstein, der nicht Architekt, sondern Historiker ist. Als Lehrer weckte er in mir die Begeisterung für das Lesen der Landschaft - der Kulturlandschaft und ihrer Geschichtlichkeit. Das war etwas Entscheidendes.

BS : Nach dem Studium seid ihr selber sehr rasch in die Lehrtätigkeit eingestiegen. Gab es da Brüche gegenüber der eigenen Ausbildung, oder seht ihr das eher als Kontinuum ?

TH : Asi und ich hatten teilweise verschiedene Bezugspersonen. Auch für mich war Marcel Meili wichtig, der uns begeisterte und mitriss, später auch Markus Peter. Entscheidend war aber, dass ich mit der Forschungsarbeit begann und mich mit Rudolf Schwarz beschäftigte. Schwarz (1897-1961) gilt gemeinhin als deutscher Kirchenbauer. Aber fast wichtiger scheint mir seine Tätigkeit als Autor von Texten zum Verhältnis von Menschenwerk und Weltenbau. Da lernte ich eine ganz neue Welt kennen, und hier kam Bruno Reichlin ins Spiel. Das Gestalthafte, Poetische wurde wichtig. Gestalthaftes Schreiben, gestalthaftes Sprechen, in diesen Kosmos bin ich eingetaucht, eine Philosophie, die ja besonders zu Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitet war und zu der es ganze Bibliotheken gibt, etwa die Schriften von Ernst Cassirer, um nur einen zu nennen. Der von dir zitierte Satz, Asi, mit dem Bau, der aus dem Rebberg steigt und feiert, könnte aus seiner Welt stammen.

AS : Für mich war es befruchtend, in den 1980er-Jahren studieren zu können, einer Zeit, in der sich neue Positionen formierten. Am Lehrstuhl von Mario Campi waren Figuren mit unterschiedlichsten Haltungen vereint. Ihre Positionen wurden ständig verhandelt, was mir eine zentrale Erkenntnis eröffnete, nämlich, dass es in unserem «Handwerk» keine allgemeingültigen, verbindlichen Regelwerke gibt und wir stattdessen unsere Positionierung aus einer gefilterten Wahrnehmung der Realität selber vornehmen. Jeder getroffene - subjektive - Grundentscheid hat seine Konsequenzen und bestimmt in der Folge die weiteren Schritte. Diese in eigener Erfahrung gewonnenen Methoden versuchen wir zu vermitteln, um Studierende zu autonomen Denkern, zu kultivierten und intelligenten Gestaltern zu machen.

BS : Und welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht ? An ganz unterschiedlichen Ausbildungsstätten ? In Genf und Winterthur, in Zürich, Lausanne und Wien ?

AS : Nach unserer getrennten Tätigkeit als Assistenten an der ETH Zürich unterrichtete Thomas vorerst in Genf, während ich in Winterthur an der Zürcher Fachhochschule tätig war. Parallel zum Aufbau unseres gemeinsamen Büros operierten wir in der Lehre also zunächst einzeln, bis wir gemeinsam zuerst an die ETH Zürich, dann als Professoren an die ETH Lausanne (EPFL) und schliesslich an die TU Wien berufen wurden. In Lausanne funktionierte unsere Methode einerseits aufgrund der Klassengrössen optimal, aber auch deshalb, weil wir uns produktiv aufgeteilt hatten. Thomas bearbeitete im ersten der beiden Semester die städtebaulichen Aspekte einer Aufgabe, während ich im folgenden Halbjahr den Ausdruck und das Innenleben der Bauten weiterentwickelte. Unterstützt wurden wir von sehr engagierten Mitarbeitern, darunter einer Assistentin, die sich ausschliesslich der Textarbeit widmete. Weil die Studierenden darin ungenügend geübt sind, muss man diese Schiene besonders fördern, sonst verliert sie sich ständig. Wir stellten Texte in einer Sammlung zusammen, ordneten sie nach Themen, lasen sie vor, mieteten ein Theater und engagierten Schauspieler, welche die Texte auf der Bühne vortrugen. So entstanden «Satzzündungen» für die Entwurfsarbeit, die mit wenigen Worten den Charakter des Projektes erfassen sollten : «Un cocon caché en plein ville». Im Gegensatz zu den Deutschschweizern, die sich mit Texten eher schwer taten, stiessen wir bei den Romands auf eine grosse Liebe zum sprachlichen Ausdruck, zu einer hochartifiziellen Sprachartistik.

TH : Und das war etwas, was in Wien natürlich nicht ging - es war von Anfang an klar, dass sich dies nicht so realisieren liesse - bei 750 Studierenden im Grundkurs, also etwa 30 Klassen (lacht). Die Lausanner Methode blieb einzigartig.

BS : Ihr müsst sehr flexibel reagieren, wenn ihr 750 Studierenden im Grundstudium gegenübersteht. Erfindet ihr eure Methode immer wieder neu ?

AS : Wir passen unsere Methode des sogenannten «synchronen Entwerfens» immer wieder neu den Bedingungen an : dem Ausbildungsstand, den Betreuungskapazitäten und vor allem der Anzahl der Studierenden. In Winterthur, einer Fachhochschule mit Studierenden, die mehrheitlich aus der Baupraxis stammen, wurde das synchrone Entwerfen erstmals als solches benannt ; es ging dort primär um das parallele Bearbeiten von unterschiedlichen Massstäben - um das ständige Springen vom grössten städtebaulichen Massstab zum kleinsten Detail. An der ETH Zürich mutierte die synchrone Projektarbeit zum Springen zwischen den Entwurfsinstrumenten Text, Modell und Zeichnung. In Lausanne konnten wir beide Ansätze zusammenführen und weiter schärfen. Und in Wien schliesslich kann sich unsere Lehrmethode - zwar unter erschwerten Bedingungen aufgrund drastisch hoher Teilnehmerzahlen - über mehrere Semester hinweg entwickeln.

TH : Die Frage war, wie man pädagogisch vorgehen könne, damit überhaupt etwas ankommt ? Der Einstieg geschieht über die Vorlesung - im Audimax : Wie vermittelt man Inhalte, noch dazu bei dieser sehr gemischten Zuhörerschaft, viele aus dem Osten mit mangelnden Fremdsprachenkenntnissen ? Der Weg führt wieder über eine Bipolarität, diesmal über das möglichst genaue Sprechen über Architektur und das laufende Skizzieren durch die Studenten. Später, nach den Prüfungen, gibt es immer wieder positive Rückmeldungen, wie : «Ich möchte mich vielmals bedanken für den Hinweis, dass man zeichnen soll, denn so konnte ich mir die Bauten und Konstruktionen später auch merken.»

AS : Mit unserer Biografie vor Augen, kann man sich fragen, weshalb wir eigentlich fast alle vier Jahre die Hochschule wechseln ...

BS : Könnte man sich fragen, ja.

AS : Dem ist nicht so, weil es uns irgendwo nicht gefallen hätte, sondern weil wir genau diese Modifikationen der Lehrmethode unter sehr unterschiedlichen Bedingungen als Herausforderung betrachtet haben. Im Laufe der Zeit konnten wir uns wertvolle Kenntnisse, Erfahrungen und Strategien aneignen. So, wie wir auf der Basis einer entwerferischen Grundhaltung im Büro verschiedene Häuser projektieren, planen wir an den Hochschulen verschiedene Lehrhäuser. Der Kern bleibt immer derselbe, das Vermitteln einer Gleichzeitigkeit von Denken und Handeln - in der stufenweisen Aneignung der Komplexität, der wir in unserem Beruf gerecht werden müssen.

BS : Es gibt fast keinen Bautypus, den ihr nicht schon bewältigt habt - Kinos, Spitäler, Amtshäuser, Rundfunkhäuser ...

AS : Wohnbauten, (lacht) Kuhställe ...

BS : Schulhäuser ...

TH : Gerichtsgebäude ...

BS : Man sieht, vom Spital bis zur Kirche, von der Geburt bis zur Abdankung, habt ihr euch mit fast allen Aspekten des menschlichen Lebens befasst.

AS : Das ist es eigentlich, was mich am Beruf als Architektin interessiert. Es ist nicht nur die Freude am Raum als Abstraktum, an der Form als Skulptur. Der Beruf fasziniert mich, weil er uns in die Tiefen des Lebens hineinschauen lässt, und zwar in alle Aspekte, sehr detailliert. Weil wir uns ständig mit allen unterschiedlichen Funktionen und Aspekten - samt ihren geschichtlichen Hintergründen - profund auseinandersetzen müssen. Am Schluss verstehe ich meine Arbeit als ein Forschen über das Leben, die Existenz, das menschliche Dasein.

BS : Gibt es da Gemeinsamkeiten ? Oder ist jedes Gebäude wieder ein Fall für sich, bei dem ihr von Grund auf neu beginnt ?

AS : Das Verbindende, teils klarer, teils unterschwelliger, ist sicher unser Interesse am Ausdruck der Konstruktion, der aus den Bedingungen der jeweiligen Bauweise hervorgeht. Uns interessiert es, die Potenziale der verschiedenen Bauweisen auszuloten, das Materialtypische aus ihnen herauszukitzeln.

TH : Es gibt ja auch immer diese konstruktive Logik in Kombination mit dem Material und dem Ausdruck. Man sucht den Ausdruck mit den Mitteln der Konstruktion, und diese hat wiederum sehr viel mit dem Nutzen zu tun. Vitruv brachte das auf die denkbar einfachste Formel. Es entspricht einem Grundbedürfnis des Menschen, einen Raum zu schaffen. Damit fängt es an, das ist gewissermassen die Bestellung. Diesen Raum gilt es zu bauen, das ist unsere Aufgabe, und dafür zu sorgen, dass er hält, dass er nützlich ist, dass er schön ist.

AS : Bei einem Holzbau wie der Kantonsschule Wil ist das etwa in der additiven Fügungslogik gut sichtbar, bei einem verkleideten Massivbau, wie dem Kino RiffRaff in Zürich, etwas weniger. Aber auch dort gibt es die Thematik grosser Spannweiten in Form von abgehängten Scheiben, die aus der Logik der Konstruktion hervorgeht. Für uns ist es immer das Ziel, für den Charakter der Bauweise oder der Materialität einen adäquaten Ausdruck zu finden und die innere Atmosphäre daraus zu schöpfen.

BS : Und im Idealfall gelingt ein Bau, wenn all das zusammenkommt.

BS : Was ist euer Idealfall ? Von welchem Gebäude würdet ihr sagen, es ist wirklich gelungen ?

TH : Ja, wo ist es gelungen ? Nehmen wir zum Beispiel dieses Häuschen am Weiher. Auch da war es ein Versuch, eine Konstruktion zu entwickeln, die dann Form wird. Das Besondere bei jenem Haus war, dass es um einen Holzbau ging, da beim Holzbau die Konstruktion in der Regel stärker prägend ist. Dazu kam, dass das Ganze auf einem Moorgrund stand, der wenig Gewicht tragen konnte, es musste leicht sein. Mit dem leichten Holzbau kann man auch Atmosphäre erzeugen. Und plötzlich gelingt es, dass es mit Hilfe von Stützen und Trägern zu Form und Ausdruck wird. Aber zu behaupten, dieser Ausdruck leite sich rein aus der Konstruktion ab, wäre vielleicht doch ein bisschen vermessen ... Manchmal wird die Konstruktion auch ein bisschen benutzt. Doch wenn die Form am Schluss sprechend wird, dann wird vielleicht auch verziehen, dass man sich auch einmal da hindurch gekratzt hat (er versucht sich hinter dem Hals durch an der entgegegesetzten Schulter zu kratzen) ... In jenem Fall ist es vermutlich gelungen, denn viele Leute sprechen uns darauf an, und sie sind ja der eigentliche Gradmesser. Das gelingt bei einigen Bauten und bei anderen vielleicht ein bisschen weniger.

AS : Die Betrachter, etwa Fotografen, sprechen oft auf sehr äussere, formale Aspekte in unseren Werken an. Eine etwas bittere Erkenntnis, denn Raum ist auf den schnellen Bildern, die uns heute in den Medien entgegenblinken, nur sehr schwer erfassbar. Ideal wäre für uns die Vorstellung, dass jeder Mensch ohne konkrete Vorbildung gute Architektur in ihrer Vielschichtigkeit wahrnehmen kann. Doch diese «natürliche» Wahrnehmung des Betrachters wird heute - durch die rasante mediale Bilderflut und den Starkult - zunehmend deformiert.

BS : Im Sinne einer Entdifferenzierung ...

AS : Ja, eine Entdifferenzierung. Dadurch bleiben viele an dem hängen, was eigentlich untergeordnet, sekundär ist. Das finde ich schade. Im Grunde sind doch die wirklich gelungenen Bauten jene, bei denen die Form nicht nur für sich spricht, sondern mit dem Raum und der Konstruktion in Einklang kommt und dadurch eine tiefe, berührende Wirkung erzeugt. Doch diesen Raumcharakter erfassen und vermitteln zu wollen, erweist sich als zunehmend schwierig. Wir leben in einer sehr formbetonten Zeit. Über Raum zu sprechen ist eine Herausforderung - teilweise schon unter Architekten, mehr aber noch in der Öffentlichkeit. Es fehlt oft das Vokabular.

BS : Und dennoch gibt es doch dieses Wohlbefinden, dieses ganz primäre Wohlgefühl, in einem Raum zu sein, den man mag.

TH : Ja, die Räume sind sehr wichtig, und das Wohlbefinden in ihnen muss man erleben. Da stellt sich eben auch ein Problem der Vermittlung. Beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht, das wir 2012 einweihen konnten. Üblicherweise bleibt es Normalsterblichen verschlossen. Da kommt man gar nicht rein. Also können die meisten das Gebäude nicht von innen wahrnehmen, sondern sehen es nur von aussen, fertig.

BS : Zum Thema Forschung, eine der Säulen eurer beruflichen Tätigkeit. Könnt ihr etwas zum Stellenwert der Forschung in eurer Arbeit sagen ?

AS : Für uns bedeutet Architekturforschung die Auseinandersetzung mit der Erzeugung von Wirkung : den Inhalten nachzugehen, zu schauen, wie Raumwirkung, Gestaltwirkung entsteht. Diese zu reflektieren, um damit auch die eigene Tätigkeit besser erfassen und kontrollieren zu können. Mindestens war dies der Grund, weshalb ich lange Jahre über den bis dato unbekannten Mailänder Architekten Luigi Caccia Dominioni geforscht habe. Im mündlichen Austausch war er schwer zugänglich, was mich gezwungen hat, seine entwerferische Haltung und damit seine Entscheidungsfindung über das rückwärts Aufschlüsseln seiner Bauten zu erschliessen - eigentlich eine Umkehrung des Prozesses, den wir sonst als entwerfende Architekten selber vollziehen.

TH : Da muss ich noch einmal auf die Textarbeit zu sprechen kommen. Es gibt heute Architekten, die viel Bücherstudium betreiben und alte Bauten ansehen. Zu Beginn meines Studiums Ende der 1970er-Jahre wurde eine andere Haltung vermittelt. Aufgrund einer falsch verstandenen Moderne sagte man, die alten Bauten seien für die moderne Architektur ohne Bedeutung, alles, was vor 1920 entstand, sei irrelevant. Bis in die 1960erund 70er-Jahre wurde das oft so gelehrt. Und nicht nur das, ich glaube, dass die meisten Architekten beispielsweise einen Barockraum kaum wirklich verstehen und aus ihm etwas lernen können. Das liegt wohl daran, dass sie von dieser «nicht mehr zeitgemässen » Bauweise überfordert sind. Ich will das nicht abwerten, aber es scheint so. Gleich verhält es sich mit den historischen Kirchenbauten. Man kann sie als historischen Fundus nicht nutzen, um auf heutige Bauten zu kommen.

AS : Wieso nicht ? Das ist mir nun echt neu - das würde ich nicht so pessimistisch sehen ...

TH : Wenn die Form zu direkt präsent ist, kann sie etwas verstellen und man kann damit wenig anfangen. Doch es gibt die Möglichkeit, Inhalte umzuformen. In der strukturellen Beschreibung eines historischen Baus fällt vieles weg, so etwa die ganze Ornamentik, der gesamte Bereich, der der damaligen Zeit verhaftet ist. Stellen wir uns vor, jemand beschreibt einen bestimmten Raum, zum Beispiel eine barocke Kirche, oder er nimmt einen literarischen Text : «Hoch oben durch die Fenster wallte ein Sonnenstrom herein, und setzte den ruhig erhabenen Raum in warmes Feuer», wie es in einer von Stifters Erzählungen heisst (Das alte Siegel, 1843). Durch die Formulierung wird Erkenntnis möglich. Das wäre eine analoge Übertragung mittels Sprache, die anschliessend eine Rückübertragung in zeitgemässe Architekturformen zulässt. Das ist etwas Spannendes - sozusagen eine Übersetzungstätigkeit, hin und wieder zurück, die eine Weiterbeschäftigung zulässt, ja überhaupt erst ermöglicht. Ein Aspekt, den ich in der Forschung gelernt habe.

BS : Traditionen leben weiter, allerdings sind ihre Einflüsse oft nur indirekt spürbar.

AS : Ja, aus derselben geschichtlichen Tradition heraus ergeben sich die möglichen Regelwerke und Kombinationen, ebenso wie die bewussten Abweichungen davon. Sie umreissen unseren Spielraum. Es liegt in meiner Hand, ja es ist sogar meine Aufgabe, an dieser Geschichte bewusst und individuell weiterzuschreiben, sie also interpretierend weiterzuentwickeln, dabei aber auch die kollektiven Verbindlichkeiten zu respektieren und lesbar zu machen.

BS : Von der dänischen Lyrikerin Inger Christensen gibt es einen strahlenden Text zum Wesen der Schönheit und zur Qualität von Literatur, der vielleicht auch auf die Architektur anwendbar ist. Der Titel lautet «Der Geheimniszustand » : «Wenn das Gedicht gut ist, haben die Worte so viel Energie, dass auch die schwersten Themen schweben können ; wenn das Gedicht schlecht ist, beschwert es nicht nur alles, was der Leser hineinzulegen versucht, sondern auch sich selbst. Es gibt keine sicheren Methoden dafür, zu entscheiden, ob ein Gedicht schön oder banal, gut oder schlecht ist. Das Beste, was man in der Praxis tun kann, ist, die Mengen von Gedichten zu lesen, die von anderen geschrieben sind ; aber auch wirklich die Gedichte zu lesen, die man selber schreibt, das heisst, sie die ganze Zeit, während man sie schreibt, umzuschreiben, bis sie zuletzt irgendein Licht zurückwerfen, irgendeine Einsicht, so als wären sie von anderen, von einem anderen geschrieben.»

TH : Man könnte die gotischen Gewölbe so erklären, dass die Steine fliegen ... Und das ist schön : «als wäre das Gedicht von einem anderen geschrieben» - die Gültigkeit, das Überindividuelle, was ja auch für die Architektur richtig wäre ... ein anzustrebender Zustand.

AS : Die Arbeitsweise des Lyrikers und die unsere unterscheiden sich sicher sehr. In der Architektur haben wir viel mehr Mittel, die wir ineinander hineinwirken lassen können : das Modell, die Skizze, den Computerplan, die Baustelle. Es ist eine Vielfalt von Instrumenten, die wir irgendwie zusammenführen müssen, und ich frage mich oft, wie das eigentlich möglich ist. Dazu die unzähligen verschiedenen Akteure : Bauherren, Mitarbeiter, Fachplaner, Spezialisten, Ämter usw. Beim Schreiben hingegen ist man allein. Aus diesem Grund bin ich an einer Formulierung hängengeblieben zur Frage, wie man es eigentlich in unserem Metier schafft, den «Text die ganze Zeit umzuschreiben», bis zuletzt der Plan, der Bau «ein Licht zurückwirft, irgendeine Einsicht, so als wäre sie von anderen, von einem anderen geschrieben » - entworfen ?
Wie schafft man das eigentlich ?

BS : Ja, wie schafft ihr das eigentlich ?
Kommt hinzu, dass ihr im Gegensatz zu Inger Christensen einen Termin einhalten müsst, der irgendwann abläuft - obwohl ja, wie Thomas Haslers erster Lehrmeister sagen würde, auch nächstes Jahr wieder Weihnachten ist ...
Gibt es den Moment, wo man sagen kann, «Jetzt haben wirs !» ?

TH : Nein, nein - der Vorteil beim Bauen ist, dass es irgendwann der Bau selbst ist, der den Takt angibt. Und dann weisst du, was du zu tun hast. Und hin und wieder passiert es, dass du «kurz vor Weihnachten» noch etwas änderst.

BS : Kennt ihr kein Beispiel, wo ihr hättet sagen können, jetzt wären wir bereit, morgen können wir starten, doch leider ist der Baubeginn erst auf ein halbes Jahr später terminiert ?

TH : Bei dem wir schon alles wissen ? Nein, nie.

AS : Hm ... (schüttelt den Kopf). Man kann immer jedes Detail noch verbessern, bis das Beil - oder der Hammer - auf der Baustelle fällt. Aber diese Frage nach dem Wie - wir müssten ja eigentlich ganz genau wissen, wie dieser Prozess funktioniert, wir haben doch 20 Jahre Übung darin. Aber wenn ich ihn beschreiben müsste - schön, wie Inger Christensen dies tut -, es käme einer Forschungsarbeit gleich, in Worte zu fassen, was dabei vorgeht.

TH : Es ist eine Wolke, irgendwie musst du sie konkretisieren, und diese Konkretisierung geschieht nicht wie eins, zwei, drei, vier, fünf ..., sondern in diesem Wolkenraum drin, und so wird das Bild immer schärfer - ein dreidimensionales Gebilde, das schrittweise Gestalt annimmt. Du musst einfach merken, wo du es schärfen musst - nicht nur an einer unteren Ecke und oben bleibt alles wolkig. Alles muss ins Gleichgewicht kommen, damit du keine bösen Überraschungen erlebst. Das ist der Entwurfsprozess.

BS : Der Bezug zur Tradition ist nicht bei allen zeitgenössischen Architekten eine Selbstverständlichkeit. Versuchen wir deshalb ein Spiel : Ich nenne euch einige Namen und bitte um Stichworte zu ihnen. -

BS : Frank O. Gehry ?

AS : Der Bilbao-Effekt. Globalisierung. Schade, ein grosser Verlust für den kulturellen Reichtum. Unser Anliegen wäre es, aus dem Lokalen zu schöpfen. Wir möchten der Globalisierung, und damit der Langeweile, gerne etwas Attraktives entgegenhalten : das Spezifische, das Einmalige.
Peter Märkli ?

AS : Erstens beeindruckend in der Bescheidenheit der Darstellung seiner eigenen Entwicklung als Architekt, nämlich, «Zuerst habe ich einen Raum gebaut, dann zwei, dann drei ...», ein schönes Bild unseres Handwerkes - nicht alles gleichzeitig können wollen, und wissen, nicht alles zu wissen. Zweitens sein kontinuierliches Spiel auf der Klaviatur der architektonischen Grammatik, auch wenn es eine völlig subjektive Interpretation dieser Grammatik ist.

BS : Coop Himmelb(l)au ?

TH : Entstanden aus der Kunst der Provokation, die im Marketing endet. «Architektur muss brennen, Architektur muss wehtun, Architektur muss schneiden», das sind ihre Worte, aber eigentlich geht es um - Marketing. Eigentlich ein Missbrauch der Sprache, wenn Worte dazu herhalten müssen, der Provokation ein Mäntelchen zu verleihen. Die Begriffe werden für ganze Generationen gepachtet. Provokation patentiert !

BS : Jean Nouvel ?

AS : Im Gegensatz dazu, eine starke Marke.

BS : Peter Zumthor ?

AS : Langsamkeit, in einem schönen Sinn. Solidität. Tiefgang.

TH : ... ein Inszenator von Atmosphäre ...

AS : ... ein Krieger für Atmosphäre ! Fast (lacht).

BS : Tadao Ando ?

AS : Ein Sesam. Was man auf den Bildern sieht, ist vielversprechend, und man hofft, dass einen die Realität ebenso berührt. Sesam : einer der wenigen, der es schafft, zu widerlegen, was wir über die Unmöglichkeit gesagt haben, Raum mit Fotografie darzustellen.

TH : Raumikone, Materialikone ...

BS : Herzog & de Meuron ?

TH : Ein unendliches Feuerwerk - und ein immer grösseres Feuerwerk. Eine Erinnerung an einen «quatorze juillet» vor Jahren : Wir waren in Nizza, es gab ein grosses Feuerwerk, eindrücklich, eine Rakete nach der anderen, eine halbe Stunde lang, immer grösser, immer grösser ... 40 Minuten, es hörte nicht mehr auf ... Schliesslich die Bemerkung meines kleinen Sohnes, der es nicht mehr aushielt und schlafen gehen wollte : «und nun noch eine gute Rakete, dann können sie aufhören ...». (Alle lachen.)

BS : Nach dieser kleinen Auflockerung : Wie verhält ihr euch eigentlich in eurem Berufsalltag ?
Ebenso spielerisch ? Seit 25 Jahren kennt ihr euch und arbeitet in verschiedensten Rollen zusammen. Welches sind die Voraussetzungen, dass sich der Elan nicht abnutzt, dass die gemeinsame Arbeit lebendig bleibt ?
Ihr seid einen langen Weg zusammen gegangen ...

AS : Wir haben einen regelmässigen Austausch, sind sehr verschieden, ergänzen uns dadurch gut, aber selbstverständlich streiten wir auch. Damit wir überhaupt gemeinsam operieren können, müssen wir uns immer auch über psychologische Momente austauschen. Es geht nicht nur um Bauten, es geht auch darum, wie man miteinander verfährt, wie man sich gegenseitig nährt ... Ich erinnere mich nicht, dass wir uns einmal nicht getraut hätten, etwas zu fragen. Ich bin ein Mensch, der alles in Frage stellt, auch zwischen uns. Alles, immer wieder von Neuem. Das ist manchmal mühsam, nicht, Thomas ?

TH : Ja. Ist aber auch gut ! Ich bin kein Oberflächler, aber manchmal (lacht) ist mir die Oberfläche auch recht ... Es gelingt aber selten !

AS : Was man zu unserer Kooperation vielleicht noch ergänzen könnte und was dann den Bogen zum Anfang schlagen würde : Innerhalb der komplexen Strukturen eines grossen Büros wird die Sprache wieder zu einem ganz wichtigen Mittel. Wir können heute ja nicht mehr zu zweit alles selber zeichnen, entwerfen und skizzieren, wie wir das zu Beginn getan haben. Da kommt uns die bildhafte Sprache als zentrierendes Mittel im kommunikativen Austausch zu Gute. Sie kann - exakt wie in der Lehre - auch in der Praxis als Entwurfsmotor genutzt werden. Wie sich die Arbeit der Studierenden um einen Satz dreht, versammeln wir unsere Teammitglieder oft um verbale Konstrukte. Diese können eine grosse Bedeutung für den gemeinsamen Findungsprozess erlangen : Alle können miteinander an einem gemeinsamen Thema arbeiten. Von daher sind unsere Standbeine wirklich synergetisch : Lehren, Forschen und Bauen. Das Wichtigste für uns beide ist jedoch der gegenseitige Respekt. Es bedeutet Arbeit, diesen Respekt ständig lebendig zu erhalten, weil wir ja auch ganz unterschiedliche Herkünfte, Neigungen, Charaktere, Umgangsweisen, Denkweisen, Lebensphilosophien haben. Aber daneben gibt es auch ganz viele Gemeinsamkeiten - wir müssen über die Gemeinsamkeiten reden und über die Differenzen.

TH : Über Gemeinsamkeiten reden wir oft nicht einmal ... die bilden einfach die Voraussetzung.

BS : Zum Schluss ein kurzer Ausblick.
Habt ihr eine Ahnung, wo ihr in zehn Jahren stehen werdet ? Gibt es wichtige Projekte, Ideen, die bisher zu kurz gekommen sind, auf die ihr neugierig seid ?

TH : Wir gehen nicht wirklich strategisch vor, im Sinne von : ich mache dieses und verzichte auf jenes ; jenes würde mir schaden, dieses nützt mir. Wenn wir aber zu entscheiden haben zwischen Qualität und Nicht-Qualität, dann wissen wir, was wir zu tun haben.

AS : Wir haben beide nie irgendeine «Karriere» im Kopf gehabt. Wir hätten uns im Traum nie vorstellen können, eines Tages aufzuwachen und 60 Mitarbeiter zu haben. Zu zweit haben wir angefangen, unten im Kämmerchen, und waren glücklich. Es hat sich alles einfach so ergeben. Wir haben stets versucht, an dem, woran wir arbeiteten, Freude zu haben, und das, was uns weniger Freude machte, nach Möglichkeit liegen zu lassen. Die Tatsache, stets drei - auch ökonomische - Standbeine zu haben, nämlich neben dem Büro das Lehren und das Schreiben, hat uns grosse Freiheit in unseren Entscheiden gegeben, eine sehr wertvolle Unabhängigkeit. Auch in dieser Hinsicht hat sich dieses Dreibein bewährt.

TH : Ich möchte die Frage nach der Planung noch von einer anderen Seite her beantworten. Es gibt ja nicht nur die Planung, es gibt auch die täglichen Zwänge, die Notwendigkeiten ... Du hast also ein Projekt, zu dem du ständig schauen, dessen klare Struktur du bewahren musst. Mit dem Entwurf scheint das Projekt zwar definiert, doch jetzt musst du es pflegen, musst dauernd schauen, dass es niemand verwässert. Man muss den Entwurf hüten. Rings herum, all diese vielen Leute mit spezifischen Kenntnissen und guten Absichten, die um den Plan herumschleichen und ihn zerstückeln könnten - die musst du fernhalten, besonders wichtig natürlich, bei langwierigen und grossen Projekten. Aber eine Strategie ? Vielleicht eher eine Mission ...

AS : Meine Strategie ist es, Freude zu haben (lacht). Endlich haben wir eine Differenz gefunden ! Aber nochmals zurück zu dir, Thomas : Was würdest denn du dir wünschen für die Zukunft ?

TH : Hmmm ... irgendwo ist man ja auch ein wenig Weltverbesserer und hat ein Sendungsbewusstsein. In Büchners Novelle Lenz heisst es sinngemäss, Gott habe die Welt wohl gemacht, wie sie sein solle, und unser einziges Bestreben müsse deshalb sein, ihm ein wenig nachzuschaffen. Also muss der Berufsmann weiter dazu beitragen, und das beschäftigt mich. Wir sind momentan auch mit städtebaulichen Fragen befasst, und auch da habe ich das Gefühl, dass ich etwas hüten muss.

BS : Schützen, hüten, bewahren ...

TH : ... und verbessern. Hüten vor der Ignoranz der Technokraten beispielsweise ... zehn Jahre ... ein Mandat für zehn Jahre, um die Umwelt in eine gute Bahn zu lenken, ohne dass sie ständig von Technokraten bedroht wird, das wäre mein Wunsch. AS Was für ein schöner Wunsch, etwas zu hüten. Und mein Wunsch wäre es, etwas weiterzugeben, das ich einmal bekommen habe !

BS : Vielen Dank, das ist ein schöner, freundlicher Schluss.

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