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Kunstschaffen im Jetzt — Drei Fragen an Sasha Huber

Kunstbulletin: Welche Fragen hast Du am Anfang dieses neuen Jahres an die Kunst – an die Kunst allgemein und an Deine eigene?
Sasha Huber: Meine Frage an mich ist: Wie kann ich mit meiner Kunst weiterhin einen Beitrag dazu leisten, den grossen und oft schwer auszuhaltenden Weltgeschehnissen der Vergangenheit und der Gegenwart ins Gesicht zu schauen? Wie kann ich – besonders mit Blick auf die Wunden, die der Kolonialismus geschlagen hat, – versuchen, den kollektiven Heilungsprozess zu unterstützen? Ich möchte immer mal wieder jene Ecken ausleuchten, in denen bis jetzt noch immer zu wenig Licht vorhanden ist. Und ich strebe an, denjenigen Geschichten Gehör zu verschaffen, denen noch immer zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dies alles hilft mir einerseits, die Welt besser zu verstehen und sie andererseits auch besser zu verkraften, weil es im Dialog mit anderen Menschen, mit Betroffenen und ihren betroffenen Nachkommen geschieht. Das wäre auch meine Frage an die Kunst: Wie können Künstler:innen mithelfen, die Dinge gemeinsam zu (er)tragen?

Kunstbulletin: Was sind in Deinen Augen die grossen Herausforderungen für die Kunst beziehungsweise für Deine Kunst in den kommenden Monaten oder Jahren?
Huber: In der Schweiz haben wir immer noch die Freiheit, unsere Wünsche und auch unsere kritischen Meinungen offen darzustellen. Dieses Privileg ist nicht allen in gleichem Masse gegeben. Wir sollten es meines Erachtens wertschätzen und schützen und benützen. Als Kunstschaffende sehe ich es als eine Einladung oder gar eine Verpflichtung, meine Stimme jenen zu leihen, welche die ihre nicht nutzen dürfen. Es ist eine Herausforderung für die Kunst, in finsteren Zeiten Hoffnung zu geben und gegen die allgegenwärtigen Gefühle der Ohnmacht anzugehen. Gerade als Künstlerin mit einem de- und postkolonialen Fokus muss ich mich auch dafür einsetzen, dass die Aufarbeitung der kolonialen Verbrechen, das Bewusstsein für Kolonialität und die Forderungen nach Wiedergutmachung angesichts von Kongo, Gaza, Haïti, Sudan und Klimakatastrophe nicht vergessen gehen.

Kunstbulletin: Die Kunst ist ein wichtiger Resonanzraum. Gab es im letzten Jahr Momente, Begegnungen, Reaktionen, in denen Du das besonders stark wahrgenommen hast, aus denen Du auch Energie schöpfst fürs Weitermachen?
Huber: Auf Einladung von The Power Plant Contemporary Art Gallery in Toronto tourt meine Soloschau ‹You Name It› seit 2021 und endet 2024 vorläufig in der Schweiz. Letztes Jahr hat die Ausstellung unter anderem in der Galerie Autograph in London Halt gemacht. Dort habe ich bemerkenswert viele Reaktionen von Besucher:innen erhalten, die mich berührt haben und die mir das Vertrauen schenken, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Als zweites möchte ich die Ausstellung ‹Stranger in the Village – Rassismus im Spiegel von James Baldwin› im Aaraguer Kunsthaus erwähnen (à KB 11/2023), welche auf meine Auseinandersetzung mit Baldwins Zeit in Leukerbad zurückgeht und mir das Gefühl vermittelte, mit meinen Werken und Netzwerken in guter Schweizer und internationaler Gesellschaft zu sein.

à Der Dialog war Teil einer Umfrage bei ausgewählten Schweizer Kunstschaffenden zur Stimmungslage Anfang 2024. Die Rückmeldungen aller beteiligten Künstler:innen sind in Auszügen im Kunstbulletin 1-2/2024 erschienen.

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Details Name Portrait
Sasha Huber

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