Richard Mosse, Bild aus ‹Broken Spectre›, Rondônia, multispektrale Luftaufnahme SIG
Lausanne — Die Galerie Olivier Varenne in Genf zeigte unlängst bereits wandfüllende Landschaftsfotos von mitten im Amazonas angelegten Strassen und Rinderweiden aus dem Multimediaprojekt ‹Broken Spectre› von Richard Mosse (*1980, Kilkenny/IE). Die so auffällig künstliche, kreischende Chromatik dieser Bilder rührte dabei von digitalen Kameras her, welche nicht nur die Oberfläche abtasten, sondern die Energie in der Biomasse darunter analysieren.
Jetzt kann man den gleichnamigen, wesentlich komplexeren und ganze 74 Minuten dauernden Film des Wahl-New-Yorkers im Neubau des photo elysée visionieren, dessen Untergeschoss die neue Direktorin Nathalie Herrschdorfer durch nochmalige Eingriffe in die Architektur einladender zu gestalten wusste. In einem von vier hier angelegten Ausstellungsräumen, die sich nun von einem mit Tageslicht erhellten Atrium auftun, präsentiert Mosse seine überfarbigen Aufnahmen auf einer fast zwanzig Meter langen Projektionsfläche. Die Bilder schwingen nicht nur in verschiedenen Konstellationen zwischen Makro- und Mikrobereich des immer weniger intakten Urwaldes hin und her. Regelmässig wird eine Schwarz-Weiss-Dokumentation eingeblendet, die keinen Aspekt der Umweltzerstörung in Brasilien auslässt – von der Brandstiftung über die grausame Behandlung der Rinder, bevor sie in Schlachthäusern den Gnadenstoss erhalten und zum Versand in alle Welt zerteilt werden, und auch die Verzweiflung der Indigenen, die in der Hauptstadt des Landes gegen den Verlust ihrer Lebensgrundlage protestieren.
Wie es nicht zuletzt der ästhetisch konnotierte Titel verrät, fragt der Künstler mit seinem Projekt auch, ob in unserer visuell gesättigten Epoche überhaupt noch genug aufrüttelnde und aufklärende Bilder möglich sind, damit die Politik ökologisch nicht weiter faule Kompromisse eingeht. Letztlich droht uns, falls die grünen Lungen am Äquator weiter dem CO2-intensiven Luxusprodukt Rindfleisch geopfert werden, nicht nur rund um den Globus noch mehr Hitze, sondern die Luft auszugehen.
