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Sarkis – Der Pionier künstlerischer Auslotung von Erinnerung und Gedächtnis entsinnt sich der Schweiz

Genf – Heute gehört die Dynamik zwischen persönlicher Erinnerung und kulturellem Gedächtnis auf der Grundlage von Vordenkern wie Bergson, Freud, Warburg und Halbwachs zu den wichtigsten Paradigmen geisteswissenschaftlicher wie auch künstlerischer Produktion. Im Werk des armenischen, in Instanbul geborenen und seit 1964 in Paris lebenden und arbeitenden Künstlers Sarkis, stehen solche Reflexionen und Forschungen, unterfüttert von seiner persönlichen Erfahrung der Emigration, seit bereits über 50 Jahren im Zentrum. Am eindrücklichsten hat er wohl in seiner Installation ‹Le mémoire est ma patrie›, 1985, das dadurch wesentlich komplexere Problem der kulturellen Verankerung und Verwirklichung des Selbst behandelt. 

In seiner neuesten Ausstellung in der Galerie Mezzanin in Genf entsinnt sich Sarkis nun jedoch weder seiner Heimat noch seiner Wahlheimat. Er wirft vielmehr zärtliche Blicke auf das Land zurück, in dem sich sein Werk dank der in den letzten fünfzig Jahren relativ aufgeschlossenen Kunstlandschaft seit bald fünf Jahrzehnten mit offenen Armen aufgenommen worden ist. So schloss Harald Szeeman Sarkis als einzigen in Frankreich basierten Künstler in seine Ausstellung ‹When Attitudes Become Form› 1969 in der Kunsthalle Bern ein, der bis und mit der aktuellen in der Galerie Mezzanin 16 weitere Auftritte in der Schweiz folgten. Nicht zuletzt fand er 1994 im neu gegründeten MAMCO auch für seine evolutive Installation ‹L’Atelier› einen permanenten Platz. In regelmässigen Abständen hat er ihr seither durch eine immer wieder neuartige, eigenwillige Konfrontation alter exogener (mitgebrachter) und endogener (an Ort und Stelle gefundener oder erzeugter Objekte) neuen Atem ein. 

In ähnlicher Art und Weise operiert er nun auch in seiner aktuellen Ausstellung ‹Punctum› in der Galerie Mezzanin. Bezug nehmend auf Roland Barthes Theorie des Studiums und des Punctums bei der Betrachtung von Fotografien, hat er dazu auf mehrere Papiertrockner schwarzweisse Ausdrucke farbiger Fotografien gelegt, einerseits seiner bisherigen 16 Auftritte in der Schweiz und andererseits der vielen  Intellektuellen wie auch Kulturfreunde, die er dort bei diesen Veranstaltungen getroffen hat. Auf ihn nach wie vor besonders fesselnde Stellen dieser Bilder hat er jedoch mit seinem zuvor in irisierende Farbe getunkten Zeigefinger je ein Zigarettenpapier aufgedrückt. Zugleich etwas bezeichnend und versteckend, veranschaulichen diese Interventionen, dass die zu kulturellem Gedächtnis geronnene persönliche Erinnerung letztlich nur wieder durch einen imaginativen Akt derBetrachtenden gelingen kann.

Vor allem aber ist die Ausstellung in der Galerie Mezzanin eine Hommage an die schweizerischen respektive grenznahen Dichter Robert Walser und J. W. Sebald, deren freischwingende Bewegungen durch Feld, Wald und Flur ihrer arbeitsamen Uhrmachereiregionen Sarkis seit Langem bezaubern. Wie ein roter Faden ziehen sich die zu Zifferblättern von Zeitanzeigern verwandelte Romane von Walser und Sebald durch die verschiedenen Räume vom Eingang bis zum Büro, während an der letzten Wand signalrote von den Spaziergängen der beiden Dichter angeregten Zeichnungen, von denen eine auch auf die berühmte Fotografie der letzten Schritte von Walser und seines durch einen Hirnschlag getroffenen Körpers im Schnee anspielt. Bis zum Tod ist gegenwärtige Erfahrung wie die Erinnerung und das  Gedächtnis von morgen und kann so auch zu neuer Heimat werden – wie für Sarkis die Schweiz seit 1969.

Institutions

Title Country City Details
Galerie Mezzanin
Switzerland
Genève
Switzerland
Genève

Artist(s)

Details Name Portrait
Sarkis

Exhibitions / Events

Title Date Type City Country Details
Sarkis - Punctum - Exhibition Genève Switzerland
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Exhibition
Genève
Switzerland