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Es freut und ehrt uns sehr, die Installation «Five Women» des chilenischen Künstlers Alfredo Jaar als zweite Ausstellung bei Tichy Ocean Zürich präsentieren zu können. 

Für den jüngsten «Artists for Tichy – Tichy for Artists» Tausch, bei dem jeweils Werke von Miroslav Tichý mit Werken von zeitgenössischen Künstler:innen getauscht werden, schuf Alfredo Jaar dieses Jahr die neue Installation «Five Women». 

Alfredo Jaar (*1956 in Santiago de Chile) ist ein Künstler, Filmemacher und Architekt aus Chile. Er lebt und arbeitet in New York. Seine meistens installativen Arbeiten nehmen politische Themen von Einwanderung bis zum Völkermord in Ruanda auf, wobei er auch die Medien und seine eigene Position als Bildproduzent analysiert. Jaar stellte auf zahlreichen internationalen Ausstellungen aus, so auf der documenta 8 und Documenta11 in Kassel und 1986 und 2007 auf der Biennale in Venedig. 2020 wurde Jaar «für seine Erkundungen komplexer sozialpolitischer Angelegenheiten» mit dem Hasselblad-Preis ausgezeichnet. «Mit seinen ruhigen und meditativen Arbeiten richte er den Blick auf humanitäre Katastrophen, militärische Konflikte, politische Korruption und wirtschaftliche Ungleichheit in aller Welt.»

Mit den Portraits dieser «Five Women» verfolgt Alfredo Jaar seine Absicht 100 bedeutende Frauen institutionell zu präsentieren, die allgemein noch immer weniger Beachtung finden als ihre männlichen Pendants, weiter. So ehrt es uns sehr, dieses Projekt mit fünf Frauen weiterführen zu können und nach den mehrheitlich anonymen Frauen aus Kyjov von Miroslav Tichý nun diese fünf Kämpferinnen zu zeigen und einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, sie bekannter zu machen. 

Alfredo Jaar’s «Five Women» rückt fünf ausserordentliche Frauen im buchstäblichen Sinn ins Schweinwerferlicht: Die fünf kleinformatigen, fotografischen Portraits werden im abgedunkelten Ausstellungsraum von je fünf Scheinwerfern beleuchtet. Die 25 Scheinwerfer auf ihren dreifüssigen Stativen füllen den Raum und geben den Weg der Besucher:innen vor, die selbst zu Schauspieler:innen in einem Schattenspiel werden. Das Licht und die sich überlagernden Schatten schaffen eine sogfältig komponierte, theatralische Inszenierung der fünf Frauenportraits. Sie bestimmen die Begegnung der Besucher:innen mit den Frauen. 

Die Fünf Frauen sind die tschechoslowakische Politikerin, Widerstandskämpferin und Frauenrecht-lerin Milada Horáková, die tschechische Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin Milena Jesenská, die tschechische Soziologin, Politikerin und Aktivistin Alice Garrigue Masaryk (auch Masaryková), die polnische Anthropologin und Roma Aktivistin Anna Mirga-Kruszelnicka, und tschechische Frauenrechtlerin und Aktivistin Johanna Nejedlová. Während Horáková, Jesenská und Masaryk drei der bedeutendsten Frauen der tschechischen Geschichte waren, sind Mirga und Nejedlová zwei junge Frauen, die sich heute aktiv für Frauenrechte und marginalisierte Gruppe engagieren. 

Dr. Anna Mirga-Kruszelnicka war Aktivistin für die Rechte der Roma, Mitbegründerin und Mitglied verschiedener Roma-Jugendorganisationen und ist derzeit Mitglied im ternYpe (International Roma Youth Network). Sie ist Mitbegründerin und Mitglied der Allianz für das European Roma Institute (ERI) und stellvertretende Geschäftsführerin des European Roma Institute for Arts and Culture (E-RIAC) in Berlin/Deutschland. 

Johanna Nejedlová ist Mitbergründerin von Konsent, das sich darauf spezialisiert hat, sexuelle Gewalt an Frauen zu verhindern und eine sichere Umgebung für Frauen zu schaffen. 2019 erhielt sie den «Women in Youth Activism Award», und schlug dabei Klimaaktivistin Greta Thunberg. 

Milada Horáková wurde 1950 vom stalinistischen Regime in der damaligen Tschechoslowakei zum Tode verurteilt und gehängt. Sie setzte sich früh für die tschechische Frauenbewegung ein und ging in den Widerstand sowohl gegenüber dem Nazionalsozialismus (1938 – 1945) wie auch ge-genüber der kommunistischen Diktatur nach der Machtübernahme von 1948. Als Parlamentsabgeordnete trat sie für politischen Pluralismus ein, der allein Freiheit und Individualismus schützen konnte, legte aber 1948 ihr Mandat ab und ging in den Untergrund, bis sie dann wegen «antisowjetischer Konspiration», «Hochverrats», «Spionage» und «umstürzlerischem Verhalten» verhaftet und in einem öffentlich ausgetragenen Schauprozess verurteil wurde. 

Milena Jesenská war eine Journalistin, die während des Nationalsozialismus ebenfalls in Widerstandskampf ging und Juden, wie jüdischen und nicht-jüdischen Emigrant:innen zur Flucht verhalf, und Funktionär:innen der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei vor der Gestapo versteckte. Sie wurde 1939 dann aber selbst von der Gestapo verhaftet und kam ins Konzentrationslager Ravensbrück, wo sie 1944 an den Folgen einer Nierenoperation starb. Bekannt wurde Milena Jesenská allerdings vor allem als «Kafkas Freundin», mit dem sie 1920 einen regen, romantischen Briefwechsel pflegte. 

Alice Masaryková wurde in Wien geboren und war das erste von vier Kindern des Ehepaares Tomáš Garrigue Masaryk und der US-Amerikanerin Charlotte Garrigue. Ihre Geschwister waren Herbert, Olga, Eleanor und Jan Masaryk, der von 1940 bis 1948 Außenminister der Tschechoslo-wakei war und 1948 vom kommunistischen Geheimdienst ermordet wurde. Alice Garrigue Masaryk wurde 1915 wegen den nationalen tschechischen Bestrebungen ihres Vaters gegenüber dem Habsburgischen Regime in Wien inhaftiert. Auch nach der Inhaftierung, aus der sie dank einer von ihrem Vater organisieren Petition mit 40’000 Unterschriften von amerikanischen Persönlichkeiten entlassen wurde, war es ihr nicht erlaubt Soziologie zu unterrichten, weshalb sie den Unterricht von Zuhause aus anbot. Nach dem Ersten Weltkrieg begründete ihr Vater Tomáš Garrigue Masaryk die Tschechoslowakei mit und wurde ihr erster Staatspräsident (1918 – 1935). Alice Masaryková selbst wurde eine der ersten Frauen im Parlament und Präsidentin des Roten Kreuzes. Nach dem Tod ihrer Mutter übernahm sie ihre Repräsentantinnenrolle und wurde gerne «First Lady» genannt. Mit der NS Invasion 1938 flüchtete sie nach Chicago, wo sie 1966 starb. 

Alfredo Jaar ist ein Künstler, Architekt und Filmemacher, der in New York lebt und arbeitet. Seine Arbeiten wurden auf der ganzen Welt ausgestellt. Er hat an den Biennalen von Venedig (1986, 2007, 2009, 2013), Sao Paulo (1987, 1989, 2010, 2021) sowie an der Documenta (1987, 2002) teilgenommen.

Jaar hat mehr als siebzig öffentliche Interventionen auf der ganzen Welt realisiert. Über sechzig monografische Publikationen wurden über sein Werk veröffentlicht. Er wurde 1985 Guggenheim-Stipendiat und 2000 MacArthur-Stipendiat. Er erhielt 2013 den chilenischen Nationalpreis, 2018 den Hiroshima Art Prize und 2020 den Hasselblad Award.

Seine Arbeiten befinden sich in den Sammlungen des Museum of Modern Art und des Guggenheim Museum, New York; Art Institute of Chicago und Museum of Contemporary Art, Chicago; MOCA und LACMA, Los Angeles; MASP, Museu de Arte de São Paulo; TATE, London; Centre Georges Pompidou, Paris; Stedelijk Museum, Amsterdam; Centro Reina Sofia, Madrid; Moderna Museet, Stockholm; MAXXI und MACRO, Rom; Louisiana Museum of Modern Art, Humlaebeck; Hiroshima City Museum of Contemporary Art und Tokushima Modern Art Museum, Japan; M+, Hongkong; sowie Dutzende von Institutionen und Privatsammlungen weltweit.

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Künstler:innen

Details Name Portrait
Alfredo Jaar

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Titel Typ Ausgabe Bilder Details
Alfredo Jaar Hinweis Kunstbulletin 3/2023

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