DIENSTRAUM #03 – PAWEL FERUS

Auf Einladung der SBB bespielt das Kunstmuseum Olten den ehemaligen Dienstraum mit zeitgenössischer Kunst. Die Werke nehmen Bezug auf das besondere Flair des Bahnhofs mit seinen eigenen Gesetzmässigkeiten. Mitten im Pendlerstrom entsteht so ein Ort für Entdeckungen und Überraschungen, zum Nachdenken und Schmunzeln, zum Innehalten und Staunen. Passend zur Ferienzeit präsentiert die dritte Ausgabe eine sommerlich anmutende Betonplastik:

PAWEL FERUS (*1973)
Femme de Venice Beach, 2017 Beton, Bikini, Armierungseisen courtesy the artist & balzer projects, Basel

Die Figur als Paradedisziplin der klassischen Bildhauerkunst und der menschliche Körper als umkämpfte Projektionsfläche ökonomischer und politischer Interessen sowie individueller Begehrlichkeiten sind Gegenstand der Untersuchung, die der in Basel lebende schweizerisch/ polnische Künstler hier mit dem für ihn typischen Humor und handwerklicher Präzision formuliert.
Eine Lesehilfe bietet der zweisprachige Titel. Analog zur ungewöhnlichen Materialkombination der aus armiertem Beton und textilem Bikinioberteil gefertigten Skulptur verknüpft er verschiedene Bezugsfelder und lässt Gegensätze aufeinanderprallen: Kunst und Kommerz, Ideal und Wirklich-keit, Vergangenheit und Gegenwart.

Zunächst verweist der Titel auf eine Ikone der Kunstgeschichte: Alberto Giacomettis (1901–1966) berühmte Serie «Femmes de Venise», die der Schweizer Künstler 1956 an der Biennale von Venedig im französischen Pavillon präsentierte. Beispielhaft stehen die fragilen, zugleich ausgezehrt und elegant wirkenden Frauenkörper aus Gips für die damals radikal moderne Beschäftigung Giacomettis mit der menschlichen Figur. Ferus dekonstruiert das Referenzwerk und kontextualisiert es neu. Mit zeitgemässen Werkstoffen lotet er die Grenze zwischen Figuration und Abstraktion aus, beleuchtet das Verhältnis von Sockel und Skulptur und führt den Darstellungstypus des menschlichen Torsos ad absurdum. Überlebensgross und 230 kg schwer erinnert seine formal reduzierte, streng geometrische Betonfigur auch an ein architektonisches Versatz-stück. Die damit als formbestimmende Parameter in den Fokus rückenden Begriffe wie Idealmass, Normierung oder Funktionalität liefern in Bezug auf die zweite durch den Titel eröffnete Referenz einen pikanten Subtext:
«Venice Beach», der legendäre kalifornische Palmenstrand, steht als Sinnbild für Körperkult und Partytime nicht zufällig Pate für das Bademodelabel des Bikinoberteils, das Ferus verwendet. Leichtfüssig und tief philosophisch zugleich setzt der Künstler damit ein geistreiches Verweisspiel in Gang. Lassen Sie sich davon Ihre Wartezeit verkürzen...