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Ornament als Versprechen

Mit Polly Apfelbaum, Adriana Czernin, Brad Davis, Frank Faulkner, Tina Girouard, Dan Hays, Valerie Jaudon, Joyce Kozloff, Robert Kushner, Thomas Lanigan-Schmidt, Kim MacConnel, Rashid Rana, Miriam Schapiro, Kendall Shaw, Christine Streuli, Ned Smyth, Lee Wagstaff, Heike Weber, Robert Zakanitch, Joe Zucker

Farbenfrohe Patchwork-Arbeiten und dekorative Muster auf der einen, politisch-emanzipatorischer Anspruch auf der anderen Seite – die Pattern and Decoration-Bewegung vereint vermeintliche Widersprüche. Sie entwickelt sich Mitte der 1970er-Jahre in den USA, getragen von so vielen Frauen wie keine andere Kunstbewegung zuvor. Die fast vergessenen PionierInnen brechen radikal mit der vorangegangenen puristischen Minimal Art und der rationalistischen Konzeptkunst, indem sie Fantasie, Farbe, Formenvielfalt und das Affektive in die Kunst zurückholen. Joyce Kozloff, Valerie Jaudon, Miriam Schapiro, aber auch männliche Vertreter des neuen Stils wie Robert Kushner und Robert Zakanitch hinterfragen nicht nur tradierte Vorstellungen von Kunst, sondern thematisieren auch politische Fragen wie den Stellenwert von Frauen, der amerikanischen UreinwohnerInnen oder von ethnischen Minderheiten im Kunstbetrieb und in der Gesellschaft. Pattern and Decoration kann damit als Vorreiter einer neuen Kunst gelten, die sich von einem männlich und westlich dominierten Kunstbegriff befreien möchte. Diesen politisch-globalen Anspruch und ihre Kritik am Eurozentrismus artikuliert die Bewegung durch eine Ästhetik mitreißender Leichtigkeit und verführerischer Schönheit: mit Arbeiten, die Sinnlichkeit, Farbe und Muster feiern und in denen gleichermaßen sozialkritische Inhalte und das Erlebnis unmittelbarer Lebensfreude transportiert werden. 

Gemeinsam ist allen Arbeiten der Pattern and Decoration-Bewegung das Spiel mit dem Ornament und eine auffällig dekorative Wirkung. Viele Motive verweisen auf ein reiches Erbe traditioneller Farben und Formen aus verschiedensten Kulturen wie der islamischen, mexikanischen, nordamerikanisch-indianischen, welche die KünstlerInnen auf Reisen studieren. Die Nähe zur Folklore wird nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gegenentwurf zum hegemonialen Museums- und Kunstbetrieb durch den Einsatz traditionell weiblicher Handwerkstechniken wie Nähen bewusst provoziert.Bislang sind die Werke der Pattern and Decoration-Bewegung in Europa kaum rezipiert worden. Das Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen, das die größte öffentliche Sammlung dieser Kunstbewegung im europäischen Raum beherbergt, unternimmt mit diesem Ausstellungs- und Publikationsprojekt nun eine umfassende Aufarbeitung und Neubewertung des Themas.

Aktueller denn je: das Aufbrechen eurozentristischer Kunstgeschichte: Mit rund 65 Arbeiten wird erstmals in Europa wieder die ganze Vielfalt der Pattern and Decoration-Bewegung gezeigt: von orientalisch anmutenden Mosaiken über monumentale Textilcollagen, Malereien und Grafiken bis hin zu Rauminstallationen und Video-Performances. Hinzu kommen  ausgewählte zeitgenössische Arbeiten etwa von Polly Apfelbaum, Christine Streuli oder Rashid Rana. Sie zeigen auf, wie sehr die formalen und inhaltlichen Errungenschaften von Pattern and Decoration bis heute nachwirken. Das Interesse der Bewegung an Bildelementen nicht-westlicher Kunstströmungen ist im Zuge der Diskussion um eine „globale Kunstgeschichte“ – regelmäßig in großen Kunstschauen wie der documenta verhandelt – aktueller denn je. Befreit vom berühmten Stigma „Ornament ist Verbrechen“ (Adolf Loos, 1908) hat Ornamentik, bei aller dekorativen Wirkung, immer auch weltanschauliche und symbolische Bedeutung und dient den KünstlerInnen bis heute zur Reflexion über die eigene Kultur sowie als Mittel der Kritik: an politischen Systemen, an weiblichen Rollenmustern, an gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen.

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Ludwig Forum für internationale Kunst
Deutschland
Aachen