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Die Eröffnungs-Ausstellung des WAM bietet einen fundierten Einblick in die vielschichtigen und vielgesichtigen Entwicklungen des Wiener Aktionismus in seiner Kernzeit zwischen den 1960er-Jahren.
Anhand von sieben Kapiteln, die die Ausstellung in mehrere Teilbereiche gliedern, werden die wichtigsten Facetten dieser bis heute radikalsten Kunstbewegung des 20. Jahrhunderts detailliert beleuchtet.

Die Hauptvertreter dieser Bewegung waren Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler. Deren Grundanliegen bestand in einer unmittelbaren und tabulosen Konfrontation mit sinnlichen sowie psychischen Erfahrungen in einer künstlerisch intensivierten Form. Zu diesem Zweck arbeiteten sie mit Körpern, Objekten und Substanzen im Rahmen von Aktionen in Raum und Zeit. Damit standen sie im Kontext internationaler Entwicklungen, wie der Pop Art, dem Nouveau Realisme oder der Fluxus- und Happening Bewegungen, welche die konkrete Lebensrealität wieder zur Thematik künstlerischen Schaffens machten, nachdem davor die Abstraktion dominiert hatte.

Alle vier Künstler haben jeweils als Maler begonnen und das Tafelbild durch einen zunehmend ausufernden Materialeinsatz sowie den Einbezug von Objekten überschritten, um es schließlich zugunsten von Aktionen zu verlassen. Sie verstanden dies nicht als Überwindung der Malerei, sondern als neue, erweiterte Form derselben, bei der sie auch ihr bildhaftes Denken nie ablegten.

Inhaltlich stand im Wiener Aktionismus der Mensch mit seinem Leib wie seiner Psyche im Zentrum. Dies inkludierte die Auseinandersetzung mit Körperfunktionen, die gesellschaftlich tabuisiert bis geächtet werden, wie Urinieren, Defäkieren oder Sexualität, ebenso wie mit uneingestandenen oder verdrängten psychischen Trieben und (Ur)Ängsten, wie Aggression, Destruktion, Verletzungs- oder Todesangst. Die Künstler verstanden dies als Akt der Bewusstmachung, aber auch der Rebellion gegen gesellschaftliche Restriktionen und Mechanismen der Verdrängung.

Eine Fundierung hatte all dies in den von den Aktionisten intensiv gelesenen Theorien der Psychoanalyse, insbesondere von Sigmund Freud, C. G. Jung sowie im Falle Muehls auch von Wilhelm Reich. Psychoanalytischem Gedankengut entstammen auch die ihnen zentralen Anliegen von Abreaktion und Katharsis als Möglichkeiten der Entladung, Überwindung und Beseitigung aufgestauter Triebe. Alle vier zielten mit ihrer Kunst auf reinigende und heilende, also therapeutische Wirkungen.

Der Wiener Aktionismus reagierte damit nicht zuletzt auf die von einem ausgeprägten Wertkonservativismus geprägte soziokulturelle Situation im Nachkriegsösterreich, das die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit seiner Rolle als Teil des nationalsozialistischen Deutschlands lange verdrängte.

Kuratorinnen: Eva Badura-Triska, Julia Moebus-Puck

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Wiener Aktionismus Museum
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Wien
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