Onex / Saint-Julien-en-Genevois — Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet der Architekt Georges Descombes gemeinsam mit verschiedensten Fachleuten und der Bevölkerung an der Renaturierung der Aire. Sie entspringt unter dem Bergrücken Salève in Frankreich und ergiesst sich elf Kilometer weiter unten in der Schweiz in die Arve. Zum zweiten Mal seit 2021 findet nun unter der Leitung der freien Kuratorin Hélène Maréthioz in der erstaunlichen, zugleich spektakulär strukturierten, wie von kraftvoller Natur durchdrungenen Landschaft ein echt tiefenökologischer Kunstspaziergang statt, getragen von den fünf Gemeinden hüben und drüben der Grenze. Die zwölf via Wettbewerb aus beiden Ländern ausgewählten Kunstschaffenden machen uns einerseits die vielschichtigen Entwicklungen der Landschaft bewusst und lassen uns andererseits oft erst die Worte für deren Schönheit und Bedeutung finden.
Die künstlerischen Setzungen sind diskret und leicht reversibel, wie etwa das Paar von «Papierschiffchen» aus lokalem Kalkstein von Luzia Hürzeler (*1976), von denen man das erste beim Herannahen an eine Brücke entdeckt und das zweite beim Blick von ihr auf die andere Seite. Sie lassen sofort Kindheitserinnerungen aufleben und können zugleich zu philosophischen Reflexionen über Zeit, Raum und Erkenntnis verleiten. Das Iglu aus Ästen und Schlamm von Elvia Toetski (*1993), bei dessen schierem Anblick man bereits eine Form von Geborgenheit erfährt, ist so angelegt, dass es Biber beziehen und ausbauen können. Die Arbeit von Pauline Cordier (*1992) & Charlotte Schaer (*1991) wiederum hat als Ausgangspunkt eine der Rauten, die um den alten Kanal herum in den Boden geschnitten worden waren, um dem Fluss wieder das freie Mäandrieren zu erlauben. Die Künstlerinnen haben eine dieser geometrischen Einkerbungen aufgeschichtet und mit Steinen belegt, wodurch sich diese innert kürzester Zeit in ein Mekka für sonnenfreudige Pflanzen, Insekten und Reptilien verwandelt hat.
Viele der Arbeiten sind ähnlich minimalistisch gehalten, doch es gibt auch Surrealistisches wie die unheimlichen Totems aus verkohlten Stammrümpfen und Asthaaren von Aurélie Menaldo (*1983). Eine die Imagination besonders anregende Arbeit stammt von Rudy Decelière: Auf den Mauern links und rechts einer Schleuse ist durch die punktuelle Entfernung des dunklen Mooses das illusionistische Bild eines Meeres entstanden. Das Fliessen und Rauschen des Wassers wird an dieser Stelle wie sonst nirgends plötzlich zu einem essenziellen Teil der Wahrnehmung, und gleichzeitig tritt der ganze Zyklus des lebensspendenden Nasses in weiteren, stupenden Naturbildern von Wolken und Bergen vor das innere Auge.
Éphémère et durable
Bis
Künstler:innen
Autor:innen
Details | Name | Portrait |
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Katharina
Holderegger
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