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Die Eidgenössische Kunstkommission hat dieses Jahr dem Bundesamt für Kultur fünf Persönlichkeiten für den Schweizer Grand Prix Kunst/Prix Meret Oppenheim vorgeschlagen und freut sich mit der Preisträgerin und den Preisträgern Christoph Büchel, Olivier Mosset, Urs Stahel, Astrid Staufer und Thomas Hasler über ihre Auszeichnung.

Es werden gleich zwei Künstler mit dem Prix Meret Oppenheim geehrt, deren Werk als radikal bezeichnet werden kann. Da ist einmal Olivier Mosset, eine jener Künstlerpersönlichkeiten, die in den 1960er-Jahren die Entwicklung der Kunst massgeblich beeinflusst haben. Zusammen mit seinen damaligen Weggefährten Buren, Parmentier und Toroni, mit denen er sich zeitweilig zur Gruppe BMPT zusammengeschlossen hatte, mischte er die damalige Pariser Kunstszene auf, indem er alles, was Malerei-die Kunst- damals ausmachte, konsequent und radikal hinterfragte. Obschon er das Medium damals wie heute als «objektiv reaktionär» beschreibt, steht die Malerei immer noch im Zentrum seines Schaffens. Denn die grundlegenden, malereispezifischen Fragen, beispielsweise wie die Farbe auf die Leinwand gelangt, haben ihn nie losgelassen. Mosset malt gegen die Tatsache an, nicht mehr malen zu können, das heisst im Wissen darum, dass Malerei allem voran konzeptuelle Reflexion über Kunst ist. Sein Einfluss ist in vielen künstlerischen Positionen, auch in der Schweiz, spürbar-nicht zuletzt, weil er für den Austausch und für Kooperationen mit Kunstschaffenden jüngerer Generationen immer offen geblieben ist.

Die Arbeit von Christoph Büchel ist nicht weniger radikal, wenn auch auf eine ganz andere Weise. Büchel setzt mit seinen ausufernden, labyrinthischen Rauminstallationen die Proportionen und die Identität bestehender (Ausstellungs-)Räume ausser Kraft und komponiert mit der präzis inszenierten, scheinbar unendlichen Akkumulation von Dingen ein Gefüge inhaltlicher Indizien, das uns oft auf falsche Fährten führt. Seine Szenarien können als räumliche Psychogramme einer Gesellschaft verstanden werden, die von latenter Verunsicherung und schwelendem Unbehagen, von totalitären Ideologien und terroristischer Selbstgerechtigkeit geprägt ist. Bei jedem seiner in Dimension und Aufwand meist spektakulären Projekte geht Büchel aufs Ganze, lotet kompromisslos die Grenzen des Machbaren aus und überschreitet sie mit berechenbarer Regelmässigkeit. Er hat damit im Bereich der begehbaren Installationskunst ganz neue Massstäbe gesetzt. Wie kaum einem anderen gelingt es ihm, die Betrachter zur aktiven Beteiligung herauszufordern und sie psychologisch invasiven Situationen auszusetzen, so dass sie keine andere Wahl haben, als Position zu beziehen.

Mit Urs Stahel wird eine Persönlichkeit ausgezeichnet, die für die Geschichte der Fotografie-Vermittlung von grösster Bedeutung ist. Als Gründungsdirektor des 1993 ins Leben gerufenen Fotomuseums Winterthur hat er eine Institution aufgebaut und während 20 Jahren geleitet, die weltweit Vorbildcharakter hat, was das Ausstellen und Rezipieren von Fotografie angeht. Programmatisch erweiterte er das Verständnis von Fotografie (das nicht nur in der Schweiz bis in die späten 1980er- Jahre von der Liebe zur Schwarz-Weiss-Fotografie geprägt war) und bewies, dass man mit dieser «flachen, unhaptischen Ware» richtige Ausstellungen machen kann. Begleitet wurden diese von sorgfältig recherchierten Publikationen, die weit über den Anspruch eines klassischen Kataloges hinausreichen. Urs Stahel interessierte sich stets für Arbeiten, die sich mit der Bildproduktion selbst beschäftigen oder mit der Frage nach der Wirkung von und dem Umgang mit Bildern. Dieser Blickwinkel ermöglichte es ihm, ein viel beachtetes Ausstellungsprogramm zu konzipieren, in dem Fotografie unterschiedlicher Zeiten und Genres-darunter auch viele künstlerische Positionen-ganz selbstverständlich Platz hatte.

Schliesslich wird der Prix Meret Oppenheim den Architekturschaffenden Astrid Staufer und Thomas Hasler verliehen. Ihr Zugang zur Architektur definiert sich über ein gesamtheitliches Denken, das Bauen, Forschen und Lehren als synergetische, einander bedingende Standbeine versteht. Neben der intensiven Bautätigkeit im Kontext ihres Büros Staufer& Hasler Architekten forschen sie, publizieren ihre Erkenntnisse in Artikeln und unterrichten mit grossem Engagement. Aktuell tun sie dies an der Technischen Universität Wien, wo sie mit ihrer Methode des «synchronen Entwurfsprozesses» arbeiten-der Übersetzung von räumlicher Form in Sprache und vice versa. Im Zentrum ihrer Auseinandersetzung mit Architektur steht für Staufer/Hasler die schlüssige Konstruktion, die den Ausdruck eines Bauwerkes bestimmt. Weit weg von globalen Trends schöpfen sie aus dem Lokalen und betreten bewusst immer wieder Neuland. Sie suchen die Herausforderung in der Konfrontation mit unterschiedlichen Materialien und Konstruktionsweisen, untersuchen diese umfassend und vertiefend, um damit zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und eigene Wege zu gehen.

Nadia Schneider Willen, Präsidentin der Eidgenössischen Kunstkommission

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