09 Schreibwerkstatt— weniger ist manchmal mehr
Dass unter den vielen Ausstellungsorten der Kunst: Szene Zürich auch mal einer dabei sein könnte, der nicht so gut funktioniert, damit war zu rechnen. Im Lichthof der Universität Zürich prallen derart viele Reize aufeinander, dass die Kunst einen schweren Stand hat.
Universität Zürich – Das ist jetzt doch alles ein bisschen viel. Im Lichthof der Universität, diesem tollen Raum der altehrwürdigen Institution, verliert man den Überblick. Natürlich lässt sich diese Hauptachse nicht vollständig sperren oder frei räumen für eine Ausstellung, das zu verlangen wäre vermessen. Doch dann muss die Frage erlaubt sein, ob nicht ein anderer Ort besser geeignet gewesen wäre, um der ausgestellten Kunst einen angemessenen Rahmen zu bereiten. Das rege Treiben um und auf dem Lichthof könnte eine spektakuläre Bühne und ein fruchtbarer Kunstkontext sein, doch die ausgestellten, eher kleinen und leisen Werke haben Schwierigkeiten, sich zu behaupten. Wüsste man nicht, dass hier ein Teil der Kunst: Szene stattfindet, liessen sich die Arbeiten leicht übersehen. Am Abend meines Besuchs findet ein Künstlerapéro statt, der Weihnachtsbaum ist bereits aufgestellt, daneben kämpft der Gipsabguss der Nike von Samothrake um Aufmerksamkeit. Vor dem Ensemble aus Weihnachtsbaum und Statuenabguss sind Tische und Stühle gelagert. Sie stehen dicht an dicht und werden flankiert von einer Reihe kleinerer Topfpflanzen. Zusätzlich durchschneidet eine improvisierte Bar den Lichthof. In dem Bistro an der hinteren Seite des Raums klappert das Besteck, die weiteren Tische in der grossen Halle sind alle von Studierenden mit ihren Laptops und Tablets belegt. Des Weiteren findet gerade eine Blutspendenaktion statt, vom Lichthof kann man durch bodentiefe Fenster den Spendern und Spenderinnen bei ihrer lobenswerten Tat zusehen. Auch das ist fast schon Kunst. Vielleicht ist der Zeitpunkt des eigenen Besuches einfach schlecht gewählt und zu einer ruhigeren Tageszeit ergiebiger, aber an diesem Abend lenken viele Dinge ab und machen die Auseinandersetzung mit den Kunstwerken schwierig. Eine weitere Sache, die auffällt: Obwohl eine Universität ja für gewöhnlich von vielen jungen Menschen bevölkert wird, scheint das Interesse ebendieser jungen Menschen, zumindest heute Abend, nicht besonders gross zu sein. Eine kleine Gruppe läuft von Vitrine zu Vitrine, lässt sich Auskunft geben und hört den Ausführungen der Kunstschaffenden zu, doch haben die meisten von ihnen das Studentenalter wohl schon länger hinter sich. Doch bei den vielen Reizen, die sich hier bündeln, sind vielleicht andere Aspekte interessanter: Die Möglichkeiten der sozialen Interaktion, der nächste Drink oder die Chaiselongue von Pipilotti Rist, die dazu einlädt, einfach kurz die Füsse hochzulegen und dem Treiben rundherum zuzusehen. Damit ist dieses Sofa eventuell genau das richtige Kunstwerk für genau den richtigen Raum.
Mathis Neuhaus (*1991) lebt in Zürich und ist freier Journalist in den Bereichen Kunst, Musik und Popkultur. hello@mathisneuhaus.de
Schreibwerkstatt ist ein Projekt von Kunst: Szene Zürich 2018 und Kunstbulletin.