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Werkschau 2023 — Stirnimann-Stojanovic

Das Atelier von Nathalie Stirnimann und Stefan Stojanovic funktioniert, wie ihre Werke auch, auf mehreren Ebenen. Am Stadtrand unterhalb des Uetlibergs gelegen, fällt der Blick auf das neon-pinke Treppengeländer, das in den hinteren Teil der Maisonettewohnung führt. Im Atelier hängt das Bett von der Decke – ein Symbol für die Verschmelzung von Kunst und Leben. Seit 2015 arbeitet das Paar zusammen und teilt sich neben dem Wohnatelier auch die Vision gerechterer Strukturen in der Kunstwelt. Ihr Blick bewegt sich zwischen individueller und systemischer Ebene. Sie kritisieren nicht nur ihre eigene Lage, sondern untersuchen messerscharf Strukturen, suchen Verbündete und entlarven so ein elitäres Kunstsystem, in welchem ungerechte Spielregeln herrschen. Solidarität und das Teilen von Macht und Privilegien sind ihre Strategie. Im Gespräch harmonieren die beiden wie in einem Doppel beim Tennis. Sie spielen sich gegenseitig die Themen zu und fallen sich in den Satz, entweder zur Zustimmung oder als Widerspruch. Wir sitzen hinter dem Atelier im Garten und reden über das «what if», das «was wäre, wenn» …
Ihre prozessuale Installation Win-Win For Life (Edition 3) besteht aus 2000 unversehrten Rubbellosen, die wandfüllend im Schriftzug «LOOOOSERS?» arrangiert sind. Mit Win-For-Life-Losen wandeln sie das Produktionsbudget in ein potenzielles Grundeinkommen von CHF 4000 um und verweisen auf die prekären Bedingungen von Kunstschaffenden. Das Leben wird zum Spiel. Die erste Edition entstand für ihre Masterarbeit an der ZHdK. Die Verlierer-Lose wurden anschliessend zum Material der zweiten Edition. Durch Glas-Mikromosaike eröffnen sie dort die Diskussion um unsichtbare künstlerische Arbeit. Heute befindet sich die zweite Edition in der Sammlung der Stadt Zürich. Die an der Werkschau gezeigte Version entwickelten sie speziell für den Kontext von Kunstwettbewerben und gewannen damit den «Kiefer Hablitzel | Göhner Kunstpreis 2023». Kunstpreise bieten Künstler:innen eine Atempause, doch die Unsicherheit bleibt. Prozess und «Outcomes» (Ergebnisse) sind Teil der Installation. Zum ersten Mal gibt es in der dritten Ausgabe ein «Secured Outcome», denn die zwölf Nominierten, die den Werkbeitrag von CHF 24 000 nicht gewinnen, können in diesem Jahr mit einem fixen Förderbeitrag von CHF 8000 für ihre Teilnahme rechnen. Ein Schritt in die richtige Richtung, finden die beiden. Bewegt man sich näher auf die Installation zu, fällt das Triptychon aus Mikromosaiken auf, zwei davon Selbstporträts. Der in Serbien klassisch ausgebildete Künstler Stefan Stojanovic hat sie in jeweils achtzig Stunden aus Glas zusammengesetzt. Ein Symbol für Transparenz, mit dem das Duo der Frage nachgeht, wie sichtbar Arbeit sein muss, um anerkannt zu werden. Stirnimann-Stojanovic vereinen die beiden Pole der Kunst: «Making and Thinking», Handwerk und Konzept. Nach der Ausstellung rubbeln die beiden die Lose zu zweit auf, mit dem Publikum teilen sie nur das Potenzial, das «What if». Zum Schluss bleibt die Frage: Was wäre, wenn Künstler:innen nicht darauf angewiesen wären, im Lotto zu gewinnen, um über ein ausreichendes Einkommen zu verfügen?


Nathalie Stirnimann (*1990, Fribourg) und Stefan Stojanovic (*1993, Vranje) arbeiten seit 2015 als Duo und leben in Zürich. Sie haben beide einen Bachelor-Abschluss in Fine Arts: Nathalie Stirnimann an der Zürcher Hochschule der Künste und Stefan Stojanovic an der Academy of Fine Arts in Novi Sad, Serbien. Beide haben an der Zürcher Hochschule der Künste ein Masterstudium in Fine Arts absolviert, für das sie sich als Duo eingeschrieben und gemeinsam abgeschlossen haben. Im Jahr 2022 erhielten sie von der Stadt Freiburg und SKK/CVC einen Atelieraufenthalt in Belgrad (4 Monate im Jahr 2022), ein Reisestipendium der Landis & Gyr Stiftung (5 Monate im Jahr 2023) und die Sammlung der Stadt Zürich erwarb ihr Werk ‹Win-Win for Life›. Im Jahr 2021 wurden Stirnimann-Stojanovic mit dem ‹Kunststipendium der Stadt Zürich 2021› ausgezeichnet; mit dem ‹JKON-Preis 2021›; mit einem Atelieraufenthalt in Shanghai von Pro Helvetia (für 2024) und wurden für die ‹Werkschau Zürich 2021› nominiert. Die Arbeiten von Stirnimann-Stojanovic werden in Einzel- und Gruppenausstellungen in der Schweiz und international gezeigt. Neben ihrer Praxis als Duo sind sie Kooperationspartner des Forschungsprojekts ‹Collecting the Ephemeral› (HSLU/SNF, 2020-2023), Teil der beiden Künstlerkollektive RRRRRRR und Intrdpndncy und Mitorganisatoren von Plattformen für zeitgenössische Kunst wie 345 off space (2020-2021) in Zürich und Perform Perform (2016-2021).

Institutionen

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Museum Haus Konstruktiv
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Zürich
Zürich

Autor:innen

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Claudia Heim

Ausstellungen / Events

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Werkschau 2023 - Ausstellung Zürich Schweiz
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