Salta al contenuto principale

Elisabeth Bronfen vous propose Maria Ceppi

Für jevouspropose#16 schlägt Elisabeth Bronfen (Kulturwissenschaftlerin, Autorin und freie Kuratorin) die Künstlerin Maria Ceppi (*1963, lebt und arbeitet im Wallis) vor.

Anlässlich der Ausstellung bei jevouspropose haben Maria Ceppi (MC) und Elisabeth Bronfen (EC) ein Gespräch geführt:

EB: Wir zeigen hier zwei unterschiedliche, aber gleichzeitig miteinander verbundene Werkgruppen von dir. Die eine enthält die kleinen Objekte, die du Objets Cultes nennst, und die andere die grossen Skulpturen, die du Hybrid Shapes nennst.

MC: Für beide Werkgruppen interessieren mich die kleinen Gegenstände, die wir im Alltag ständig um uns haben. Ihre Bedeutung, aber auch der Wert, den wir ihnen zuschreiben. Indem ich die Gegenstände zusammenkopple und sie zu etwas Neuem verbinde, versuche ich gängige Wert- und Normsysteme aufzubrechen. Es geht mir dabei auch um eine Form von Emanzipation, beispielsweise um das Hinterfragen traditioneller Geschlechterrollen oder des Gebrauches der Farbe Rosa bei Genderbinarität. Wie gibt man Dingen, aber auch Funktionen, einen neuen Wert und eine neue Anerkennung?

EB: Lass uns zuerst über die grossen Skulpturen, die Hybrid Shapes sprechen. Oft benutzt du Haushaltsobjekte, beispielsweise bei der Skulptur After Work, 2022. Hier hast du einen Gummihandschuh, mit dem man normalerweise putzt, stark vergrössert und dabei das Innere nach aussen gestülpt. Indem du die Farbe Rosa wählst, machst du ihn zu einem traditionell weiblichen Handschuh. Einerseits sieht man also das Innere des Handschuhs, der Teil, welcher bei längerem Putzen ein bisschen feucht und eklig wird, weil das Material des Handschuhs an den Fingern kleben bleibt. Andererseits liegt er auf einer Schmuckdose, in welcher man etwas sehr Wertiges aufbewahrt. Damit mischst du zwei Dinge: Etwas, das eher schmutzig ist, das die Hand (be-)schützt und das man nachher weglegt und andererseits eine Schmuckschatulle, die für das Aufbewahren wertvoller Gegenstände gedacht ist. Interessant ist auch, wie sich der Putzhandschuh in deiner Skulptur entfaltet: nämlich zu einer Blume, vielleicht zu einer Rose oder auch zum weiblichen Geschlecht. Entscheidend für diese Wahrnehmung ist nicht nur, dass zwei verschiedene Dinge zu einem neuen Ganzen zusammenkommen, sondern dass du sie auch sehr stark vergrösserst, quasi monumentalisierst, und dass du das Zusammenspiel von Materialien hervorhebst.

MC: Tatsächlich verwende ich oft andere Materialien als die ursprünglichen, manchmal ist es gar eine Umkehrung. So kann etwas ursprünglich aus der Natur Stammendes mit künstlichen Materialien gefertigt werden und umgekehrt. Es geht mir sowohl um die visuelle Wahrnehmung als auch um den Inhalt, und immer auch um die Erinnerung. Woran erinnert mich etwas? Was hätte es sein können? Was war es? Dazu kommt dann die haptische Dimension, wenn man die Skulptur anfasst. Grossen Einfluss hat das Buch Über-Empfindlichkeit. Spielformen der Idiosynkrasie von Silvia Bovenschen auf mein Schaffen ausgeübt. Ich finde das Phänomen der Idiosynkrasie sehr interessant, also die Tatsache, dass man gegen unwichtige Kleinigkeiten eine grosse Abneigung entwickeln kann. Diese Momente sind in meinen grossen Skulpturen sehr wichtig. Sie geben ihnen eine Eigenständigkeit, sie werden zu eigenen Wesen, sind also nicht mehr nur Objekte.

EB: Es sind Figuren in mehreren Sinnen des Wortes. Indem du die unterschiedlichsten Dinge zusammenfügst, bekommen sie etwas Lebendiges. In deinen Arbeiten wird die Grenze zwischen dem Belebten und dem Nicht-Belebten fliessend. Gleichzeitig würde aber der Begriff des Unheimlichen nicht passen. Normalerweise löst etwas, das zwischen dem Lebenden und dem Nichtlebenden schwankt, ein unbehagliches, verstörendes Gefühl aus, da man nicht unterscheiden kann, ob es lebendig ist oder nicht. Auf mich wirken deine Arbeiten aber auch sehr fröhlich.

MC: Das hat vielleicht mit meiner Person zu tun. Die Idee ist ja schon, dass ich ihnen ihre Wertung gebe, oft auch auf ironische und kritische Art. Dass eine Schlauchbride oder ein Putzlappen auch schön und wertvoll sein können. Sei es im Gebrauch oder auch einfach im Zusammenspiel mit anderen Dingen. Und dann ist der Dialog, den sie mit uns führen, von Körper zu Körper, sehr wichtig für mich. Dabei achte ich in der Produktion genaustens darauf, dass die Dinge auch in der Vergrösserung ihre Gebrauchsspuren und damit den Charakter bewahren. Das muss absolut perfekt sein. Genau diese Irritation oder Idiosynkrasie interessiert mich sehr. Darum habe ich beispielsweise sehr darauf geachtet, dass bei der Skulptur Wattersol, 2023 die Scherbe mit allen ihren Rissen hergestellt wurde.

Natürlich ist auch die Veränderung in der Wahrnehmung, welche die Übergrösse mit sich bringt, sehr spannend. Wenn der Handschuh plötzlich zu einem Organ oder einer Blume wird. Ich fände es aber auch schön, wenn wir gar nicht mehr darüber reden müssten, welche Dinge der Ausgangspunkt waren. Das Verwirrspiel zwischen Erinnerung und Wahrnehmung macht so vieles aus in unserem Leben. Aber wir lassen diese Verwirrung nicht zu. Wir wollen immer alles einordnen. Alles muss einen Grund haben. Bei der Vergrösserung ist es mir darum wichtig, den Kippmoment zu finden. Diesen Moment, wenn ein Ding mehrere Dinge sein und mehrere Bedeutungen tragen kann. Ein ständiges Hin und Her. Das Spiel mit der Ambivalenz.

EB: Lass uns noch kurz über die Objets Cultes sprechen.

MC: Im Gegensatz zu den Hybrid Shapes spreche ich hier vom Handdialog. Ich belasse die Teile in ihrer ursprünglichen Grösse und kombiniere sie neu. Indem ich ein Teil aus seiner Norm herausnehme und mit einem anderen Teil zusammensetze, entnorme ich sie.

EB: Ich musste bei deinen Objets Cultes auch an Donna Haraway denken und ihre im Buch Staying with the Trouble formulierten Gedanken. Sie stellt sich dort ein politisches Projekt der Assemblage vor, in der Menschen, Tiere und Natur sich als Gesamtgefüge zu einer neuen, weniger zerstörerischen Lebenswelt zusammentun, die sich als nicht hierarchisiertes Verwobensein in der versehrten Welt einrichten. Es ist ihr Beitrag zur Kritik des Anthropozän; also der ganz von menschlicher Hand besetzten Welt. Auch bei dir geht es darum, Verhältnisse zu hinterfragen und neue aufzubauen. Du untersuchst, wie Dinge aus der Natur, Dinge aus der Industrie und Alltagsobjekte neu zusammenkommen. Im Gegensatz zu dem, was Donna Haraway interessiert, handelt es sich bei dir natürlich um ästhetische Gebilde. Das Zusammensetzen der verschiedenen Objekte und der Materialien, die dann neue Gestalten ergeben, hat für mich auch sehr viel mit Witz zu tun. Aber nicht witzig im Sinn von spassig. Sondern so wie man Witz im deutschsprachigen Raum kennt, nämlich aus der romantischen Ironie der deutschen Autoren und Autorinnen, die an der Wende ins 19. Jahrhundert geschrieben haben. Deine Art des Neugestaltens hat aber immer auch etwas Ironisches an sich. Wobei hier mit Ironie eine gewisse Distanz gemeint ist. Es gibt also nicht nur das Fröhliche, Zusammengesetzte des Poppigen, sondern da ist auch dein Witz, der einen zum Nachdenken zwingt; zum sich Einlassen, zum Reagieren und Antworten auf die Kunst, die vor einem steht. Deine Hybrid Shapes und Objets Cultes ziehen einen an – über die Materialen, über die Farben, aber gleichzeitig gibt es eine Distanz, weil man merkt, dass hier etwas zusammengesetzt ist. Es geht auch um ein intellektuelles Spiel. Zudem habe ich bei den Objets Cultes wie bei den Hybrid Shapes das Gefühl, es seien Figuren. Und ich kann mir für diese Figuren sofort Geschichten überlegen. Sie sind in Szene gesetzt. Eigentlich ergeben sie bereits schon eine Szene dadurch, dass sie selbst zusammengesetzt sind. Also das, was Virginia Woolf “scene making“ nennt. Das ist es, was mich sofort angezogen hat an deinen Arbeiten.

Infos

Tipo di evento
Esposizione
Data
-
Share

Artisti

Dettagli Name Portrait
Maria Ceppi

Instituzioni

Titolo Paese Località Dettagli
jevouspropose
Svizzera
Zürich
Svizzera
Zürich