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Das Bundesamt für Kultur vergibt seit 2001 auf Empfehlung der
Eidgenössischen Kunstkommission jedes Jahr die Meret Oppenheim
Preise. Sie lenken das Augenmerk auf herausragende Kunstschaffende,
Architekten und Vermittlerinnen, die älter als vierzig
Jahre sind. Von diesem «mittleren Lebensabschnitt» ab Vierzig
zeichnet die Soziologie ein eher unstetes Bild. So heisst es zum
Berufsleben, dass die Verbindung von Erfahrung und Leistung
einen Höhepunkt erreicht, gleichzeitig ist von Krisen und Wechseln
die Rede, von einer «Diskrepanz zwischen Ist- und
Wunschzustand». Auch Kunstschaffende sind von solchen Erfahrungen
nicht ausgenommen, die «midlife career» ist kein einfaches Unternehmen.
Die Phase, in der der Ausstellungsbetrieb bereitwillig
das Junge und Neue propagierte, ist durchlaufen; die weiteren
Jahre der Bestätigung eines Markenzeichens oder andauernden
Kompromissen zu opfern, erscheint als Perspektive ebenso lähmend
wie nutzlos. Kaum eine Künstlerbiographie durchgleitet
diesen Abschnitt in der gefederten Limousine, davon zeugen das
Leben einer Meret Oppenheim ebenso wie manche der Gespräche,
welche die Trägerinnen und Träger des in ihrem Namen vergebenen
Preises in den inzwischen vorliegenden Heften geführt
haben. Aber Künstler wie Markus Raetz, Rolf Winnewisser und
Robert Suermondt, die in diesem Heft zu Worte kommen, belegen
ebenso wie der Architekt Peter Zumthor, dass zwischen Primeur
und Retrospektive eine Arbeit stehen und bestehen kann, die
Kontinuität mit Souveränität und Lebendigkeit zu verbinden
weiss. Daraus lassen sich keine Rezepte ableiten, aber vielleicht
Modelle ablesen.
Die Berufsgattung der Kunstvermittler hat in den letzten Jahren
stetig an Anerkennung gewonnen, auch bei der öffentlichen
Kulturförderung, die deren wichtige Arbeit inzwischen mit Preisen
und Stipendien honoriert. In der Regel verstehen wir unter
Kunstvermittlern die Kuratorinnen, Kritiker und Autorinnen im
Bereich der Gegenwartskunst. Die Meret Oppenheim Preise 2006
zeichnen nun erstmals zwei Personen mit einem etwas anderen
Profil aus. Catherine Schelbert ist seit vielen Jahren die unbestrittene
Nummer Eins in der Schweiz für die Übersetzung von
Künstlertexten und Texten zur Kunst ins Englische. Die Tatsache,
dass viele ihrer Übersetzungen den Urtexten an Sachkenntnis
und Sprachgewalt zumindest ebenbürtig sind, war der Jury ein
Anlass, nicht nur auf die kreative Potenz dieses Berufes hinzuweisen,
sondern auch seine Bedeutung für die Schweizer Gegenwartskunst
hervorzuheben. Mit Dario Gamboni schliesslich hat
die Jury einen klassisch ausgebildeten Kunsthistoriker ausgezeichnet,
der vor kurzem den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der
Gegenwart in Genf übernommen hat. Gamboni steht für eine
noch junge Entwicklung im Fach, welche die Interessen und Fragestellungen
ganz selbstverständlich bis in die Gegenwartskunst
hineinträgt und nun auch über die universitäre Lehre das Zusammenspiel
zwischen aktueller Kunstproduktion und Kunstreflexion
auf eine neue Ebene heben will.
Zum Schluss der Hinweis auf den Autor aller sechs Interviews.
Der Kunsthistoriker und Kritiker Hans-Joachim Müller, langjähriger
Feuilletonchef der Basler Zeitung, gehört wie die Preisträgerinnen
und Preisträger zu den anerkannten Grössen seines
Faches. Er prognostizierte in einem polemischen Essay letzthin
den Tod einer Kunstkritik, die ihre Position unabhängig und in
Distanz zu ihrem Gegenstand entwickelt. Dass unsere Wahl für
dieses Heft auf ihn fiel, ist in diesem Zusammenhang nicht als
Abgesang auf, sondern im Gegenteil als Fürsprache für eine kritisch
reflektierende Kunstvermittlung zu verstehen.

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