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BETTINA CARL - Zu meiner Serie "M", 2022 Kreide, Kohle, Wasserfarbe auf Papier, je ca. 153 x 150 cm

 Die "M"-Serie ist Teil meines langjährigen Installationsprojekts HAPPY KNOWLEDGE. Sie bezieht sich auf ein gefundenes Foto; ein eher seltenes Vorgehen in meiner Praxis. Für die Untergründe mischte ich zunächst verschiedene Nuancen dünnflüssiger Wasserfarbe an, die ich mit breiten Pinseln auf den angefeuchteten, auf dem Boden liegenden Papierbogen auftrug. Einige kompositorische Setzungen konnte ich dabei vornehmen, aber die amorphen Formen, die sich während des Trocknens einzeln herausbildeten, liessen sich nur wenig beeinflussen. Diese Formen bestimmten mit, wie ich im Folgenden die figürliche Kohle-Kreide-Zeichnung anlegte. Nach dem Trocknen montierte ich das Bild an die Wand. Mit einem kleinen, verschwommenen Inkjet-Print als Vorlage in der Hand zeichnete ich die Männergestalt von Beginn an in der jeweiligen verdrehten und fragmentierten Position und arbeitete sie schrittweise in die wabernde Grundschicht hinein. Dieses Vorgehen war mir wichtig, um stets eine gewisse Distanz zu der historischen Fotografie zu wahren, auf der die "M"-Serie beruht.

 Ich stiess zufällig auf dieses Foto, in einer Zeitung, die verkehrt herum auf dem Boden lag. Weil mich das Helldunkel der Aufnahme interessierte, schoss ich ein Foto davon. Erst als ich das Blatt drehte, erkannte ich die sorgfältig arrangierte Szene darauf: Halbnackt, mit ulkiger Mütze, den Blick gen Horizont gerichtet, sitzt ein stämmiger Mann in der Sonne auf einem Schlitten.

Der Mann auf diesem Foto aus den 1930er Jahren ist Benito Mussolini. Er war der erste Diktator, der grossen Wert darauflegte, sich als virile, durchtrainierte und sexy Sportskanone darzustellen. In ähnlichen Posen und mit todernster Miene setzt Wladimir Putin seinen entblössten Rumpf ein: als fleischliches Sinnbild, als Verkörperung eines faschistischen Konzeptes von Männlichkeit.

Als ich 2022 mit der Arbeit an "M" begann, war das zunächst eine Reaktion auf dieses Konzept; noch war die russische Armee nicht in der Ukraine eingefallen und in Rom regierte ein Vielparteien Kabinett unter Mario Draghi. Die politischen Entwicklungen seither haben dem Bild, das der "M"-Serie zugrunde liegt, eine überaus beängstigende Aktualität verliehen.

 Die "M"-Serie ist ein Experiment: mein Versuch, mich dieser bildlichen Inszenierung zu bemächtigen, sie umzuwerten und aufzubrechen. In den grossformatigen Zeichnungen soll spürbar sein, dass sich die Serie auf ein und dasselbe Foto bezieht. Allerdings steht die Figur auf dem Kopf, ist angeschnitten oder gespiegelt. Die Körperformen sind von meinen Schuhabdrücken durchsetzt und werden immer wieder von den organischen Formen des Untergrunds verdrängt. Die fragmentierte Gestalt des Despoten zergeht in den bewegten, amorphen Pfützen der Aquarellschicht; das Verhältnis von Figur und Grund bleibt stets in der Schwebe

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40 Gerechtigkeitsgasse
3011 Bern
Suisse

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Détails Name Portrait
Bettina Carl

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Bettina Carl Hinweis Kunstbulletin 5/2023

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