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In einer Gesellschaft, die einerseits von Regeln, andererseits von Konventionen geprägt ist, verlangt es Orte, die alltägliche Normen aushebeln. Monster Chetwynd schafft solche Räume durch ihre Performances, Bilder und Installationen. Sie spielt mit Maskeraden, verdreht soziale Rituale, leitet Energien um, kreiert hybride Wesen und jongliert mit Bildkulturen vom Mittelalter bis zur Science-Fiction. Das Monströse, Karnevaleske und Groteske ist in ihren Welten immer mit dabei und stets mit Übertreibung, Absurdität, Schrecken und Humor verbunden. Immer aber sind sie dem Positiven verpflichtet. Monster Chetwynds Kunst strahlt den Mut aus, ehrliches Engagement im kreativen Akt zu finden und Proberäume für inklusive Alternativwelten zu inszenieren.

Die Ausstellung «Head-Less-Ness» versammelt Masken, körperhafte Fragmente, bricolierte Möbel, Textildrucke und Malereien in der Künstler*innenkneipe des Cabaret Voltaire. Ursprünglich 1916 als «Künstlerkneipe Voltaire» eröffnet, sollten hier Kunst und Leben Hand in Hand gehen und den Kunstbegriff erweitern. In diesem Sinne kann die Ausstellung als eine Assemblage von Theaterrequisiten betrachtet werden, die es juckt, benutzt zu werden, und die Vorstellungen des Gewohnten und Schönen herausfordern: eine überdimensionale Bank, zu tiefe Stühle, Gemälde als unbequem platzierte Tapeten, freistehende Skulpturen auf Tischen, Motten, Fratzen und Masken.
Beim Grotesk-Karnevalesken ist es immer unklar, wo der Körper aufhört und wo die Welt beginnt. Das passt zum Soziotop «Bar», das als geschlossener Gemeinschaftsraum gesellschaftliche Beziehungen besonders nivellieren und zugleich umkehren kann. Sowohl der Karneval als auch die Bar sind mit Ritualen verbunden, in denen sich das Individuum in der Gruppe und im Drumherum auflöst oder als Selbst wiederfindet. «Never drink alone» heisst dann auch das Getränk, das die Ausstellung begleitet und inmitten der unzähligen Köpfe und Körper zum «Puppet Slam» getrunken werden kann.

Wie immer in ihrer Praxis schöpft die Künstlerin ihre Inspiration aus einer Vielzahl von Quellen, darunter Film, Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie. Michail Bachtin, der ausgehend von der Lektüre François Rabelais’ untersucht, wie die volkstümliche Lachkultur des Mittelalters Machtverhältnisse untergräbt, ist nur einer der vielen Referenzen, mit denen Monster Chetwynd arbeitet. Die Ausstellung zeigt auch die fortlaufende Auseinandersetzung mit Gesichtern und Masken der Künstlerin, etwa mit John Boormanns Film Zardoz (1974), in dem altertümliche und futuristische Welten aufeinanderprallen, oder mit Federico Fellinis Film Satyricon (1969), der auf einer Satire über Kaiser Nero basiert.
Die vereinzelten Requisiten im Raum erinnern dabei an das Spiel «Cadavre Exquis» oder an das Kinderspiel «Kopf, Körper, Beine» mit dem gefalteten Papier, bei dem die Spieler*innen eine Zeichnung oder einen Satz vervollständigen, ohne die vorherigen Beiträge zu sehen. Eine Methode, derer sich auch die Surrealist*innen bedienten, um frei assoziierte Worte und Bilder kollektiv zu verbinden.

Monster Chetwynd verwendet in ihrer Kunst häufig die dadaistisch-surrealistische Strategie der «Cut-Ups», ein Prozess, der durch Montage neue Bilder und Texte schafft. Die Künstlerin arbeitet dabei mit Materialien, denen sie im Alltag begegnet und die sie in einem kollaborativen Prozess weiterentwickelt, upcycelt und recycelt. Die Vorliebe Chetwynds für Assemblage und Wiederverwendung gründet darin, dass diese handgemacht und gemeinschaftlich hergestellt werden. Im Cabaret Voltaire ist dieser nachhaltige Ansatz vor allem in Zusammenarbeit mit Gabi Deutsch, Dimitrij Stockhammer, Social Fabric, Natascha Madeiski und Esther Schena entstanden.

In Chetwynds Praxis geht es nicht um ein ironisches Spiel mit Versatzstücken, sondern um eine zeitgenössische Perspektive, die das «radikale Lachen» als einen wesentlichen Bestandteil des Widerstands beibehält. Chetwynd verspricht nicht die Erlösung, aber sie findet weiterhin Gefallen daran, die Moral und den Geist zu stärken und das Dionysische freizulassen. Die mittelalterlichen Anspielungen und die Science-Fiction-Analogien bieten eine Möglichkeit, in dystopischen Zeiten Fantasien zu erzeugen, die inklusiv wirken. Nun ist ihr künstlerisches Universum erstmals in einer Bar zu erleben, die zur Teilhabe einlädt und im Laufe eines ganzen Jahres mehrmals performativ aktiviert wird.

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Monster Chetwynd

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