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English version below

 

 

 

traces and daffodils

 

PHILIPP RÖCKER | THOMAS RENWART

 

26. Mai – 29. Juli 2023

 

Traces – Spuren auf dem Boden, an der Wand und in der Luft. Dort weilen Phillipp Röckers Bronzeskulpturen, wie filigrane Monumente. Durch eine lang gezogene Geste seiner Hand im Sand entstehen die Formen. Ausgegossen mit Wachs und dann in Bronze, verwandeln sich die Bahnen in Spuren des von der Handentfernten, des Absenten. Sie sind die metallene Füllung eines Gestus des Wegnehmens, Erschließens und Bewegens. Im Raum entfalten sie sich mit selbstverständlicher Natürlichkeit. Ein wenig fremd und doch von organischer Anmut züngeln die langen und dünnen, scheinbaren ex situ Freilegungen in eine Richtung mit abstraktem Ziel. Archaisch-menschlichen Gesten gleich, versucht man, wie es uns Menschen eben üblich ist, diese zu entschlüsseln, zu deuten und zu lesen. Doch die Gesten und Spuren lassen sich nicht einfach lesen. Und wenn der Mensch nicht versteht, versucht er indes Regeln auf das zu setzen, was er nicht versteht. Doch entgegen diesem Drang, verneinen und arbeiten die Objekte gar gegen die Dechiffrierung. Das Wesen hier liegt einzig darin, der Wahrnehmung zu vertrauen, und das Entfalten im Raum zu erlauben und zu erhalten. So wie die Formen sich selbst erhalten. Man kann den Spuren folgen, die sich intrinsisch und extrinsisch vollziehen, wenn man denn zulässt, selbst eine permeable Membran zu sein, durch die die Ausgestellten strömen können.

Teils modular aufgebaut verästeln und verweben sich die stockartigen Wesen von Philipp Röcker mit den textilen Arbeiten von Thomas Renwart. Die Bronzen, die trotz ihres Materials mit ihrer Fragilität und Leichtigkeit auftauchen, treffen auf gewebte und bestickte Werke mit ambivalenten Sujets.

 

Daffodils – zu deutsch Narzissen ist eines der Sujets, der gewebten Bilder von Thomas Renwart. Die kleinen gelben Scheinwerfer unter den Blumen, die ihr Gesicht stets zur aufkommenden Sonne des Frühlings richten, sind ebenso Sinnbild des nur sich selbst Liebenden. Narziss, der der Sage nach nicht Mensch von Abbild unterscheiden, und sich aufgrund seines Fluches nur in sein eigenes Spiegelbild im Wasser verlieben konnte, versuchte verzweifelt sich seines eigenen Körpers zu entledigen, um den anderen, schlussendlich sich selbst, berühren zu können. Wie tragisch, unmöglich und schlussendlich tödlich dies ist, erfuhr der gleichzeitig Geliebte, Liebende, Zünder und Entflammte in der Ausweglosigkeit seines eigenen Seins. So ergibt seine Geschichte einen selbstreferentiellen Kreislauf, eine Tragik, die sich aus sich selbst ergibt. Eine Art des menschlichen Seins, die nach außen hin so schön scheinen kann, und der im tiefen Inneren der unabdingbare und verzweifelte Schmerz der unmöglichen, gar unechten Liebe innewohnt. Der nach außen Schöne birgt das Tragische in seinem Inneren.

Während Röcker aufzuzeigen versucht, dass organische Wahrnehmung impulsiv und vertrauenswürdig vonstatten gehen kann, verhält sich Renwart konfrontativer: was ist Bild, was ist Mensch?

Steht bei Röcker die Kraft des Schaffens, ohne den Zwang des Idealen und Schönen im Vordergrund, so ist es bei Renwart umgekehrt. Seine perfekte handwerkliche Praxis mit den schönen Sujets wird gebrochen, durch die süße Bitterkeit der Schriftzüge und Bedeutung der Bilder, die oft die heiteren Erinnerungen hervorheben, unter der Krux ihrer Vergangenheit und aktuellen Unmöglichkeit.

 

 

 

„In Lebensfluthen, im Thatensturm

Wall' ich auf und ab,

Webe hin und her!

Geburt und Grab,

 

Ein ewiges Meer,

Ein wechselnd Weben,

Ein glühend Leben,

So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit,

Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.[1]

 

Mit dem Zitat aus Goethes Faust im Hinterkopf, scheinen sich doch beide Positionen ihres schöpferischen Aktes bewusst zu sein. Die beiden Künstler schöpfen neu und aus Erfahrungen und demonstrieren uns, dass sie die Frage nach der Verantwortung für die Kreation beantworten wollen. Was passiert, wenn die Objekte fertig sind mit ihnen und sie mit uns weiterleben?

Philipp Röcker möchte wissen, wie das, was er aus dem geleerten Raum formte, nun Raum wird. Thomas Renwart zeigt uns, wie man Augenblicke festhält und Erinnerungen in Bild und Sprache webt, wie ein lebendiges Kleid des vorausgegangenen Lebens. Sie schlagen uns vor, wie man mit der Schöpfung, die man selbst vollzogen hat umgehen kann, und schaffen einen Ort, der zwischen Moment und Vergangenheit, Mythos und Wahrheit korrespondiert.

 

 

Elisa Mosch, 2023

 

[1] Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808

 

 

 

 

 

 

traces and daffodils

 

THOMAS RENWART | PHILIPP RÖCKER

 

May 26 – July 29 2023

 

 

traces and daffodils

Traces - traces on the ground, on the wall and in the air. There Phillipp Röcker's bronze sculptures dwell, like filigree monuments. A long drawn gesture of his hand in the sand creates the shapes. Poured out with wax and then in bronze, the lanes turn into traces of what has been removed from the hand, the absent. They are the metallic inlay of a gesture of taking away, opening up and moving. In space they unfold with naturality. A little strange and yet of organic grace, the long and thin, seemingly ex situ exposures flicker in a direction with an abstract goal. Like archaic human gestures, one tries, as is usual for us humans, to decipher, interpret and read them. But the gestures and traces cannot be read easily. And if the human being does not understand, he tries meanwhile to put rules on what he does not understand. But contrary to this urge, the objects deny and even work against deciphering. The essence here is only to trust the perception, and to allow and maintain the unfolding in space. Just as the forms maintain themselves. One can follow the traces that take place intrinsically and extrinsically, if one allows oneself to be a permeable membrane through which the exhibits can flow.

Partly modular, the stick-like creatures of Philipp Röcker branch out and interweave with the textile works of Thomas Renwart. The bronzes, which emerge with their fragility and lightness despite their material, meet woven and embroidered works with ambivalent subjects.

 

Daffodils - in German “Narzissen” is one of the subjects of the woven images of Thomas Renwart. The small yellow spotlights among the flowers, which always turn their faces to the rising sun of spring, are also symbolic of the one who loves only himself. Narcissus, who according to the myth could not distinguish human from image, and due to his curse could only fall in love with his own reflection in the water, desperately tried to get rid of his own body in order to

be able to touch the other, finally himself. How tragic, impossible and ultimately fatal this is, the simultaneously beloved, lover, igniter and inflamed experienced in the hopelessness of his very own being. Thus, his story results in a self-referential cycle, a tragedy that arises from itself. A way of being human that can seem so beautiful on the outside, and which deep inside has the indispensable and desperate pain of impossible, even pretentious love. The outwardly beautiful conceals the tragic within.

While Röcker tries to show that organic perception can proceed impulsively and trustworthily, Renwart takes a more confrontational approach: what is image, what is human?

While Röcker focuses of the power of creation, without the constraint of the ideal and beautiful, Renwart does it the other way around. His perfect craft practice with the beautiful subjects crashes with the sweet bitterness of the writing and meaning within the images, which often highlight the cheerful memories, under the crux of their past and current impossibility.

 

 

 

 

“In the tides of Life, in Action’s storm,

A fluctuant wave,

A shuttle free,

Birth and the Grave,

 

An eternal sea,

A weaving, flowing

Life, all-glowing,

Thus as Time’s humming loom ‘tis my hand prepares

The garment of Life which the Deity wears!”[2]

 

With the quotation from Goethe's Faust in mind, both positions seem to be aware of their creative act. Both artists create anew and from experience, demonstrating that they want to answer the question of the responsibility for creation. What happens when the objects are finished with them and they keep on living among us?

Philipp Röcker wants to know, how what he formed from emptied space now becomes space itself. Thomas Renwart shows us how to capture moments and weave memories into image and language, like a vibrant dress of past life. They suggest us how to deal with the creation that you have executed yourself, creating a space corresponding between moment and past, myth and truth.

 

 

Elisa Mosch, 2023

 

 

[2]Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808

 

 

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